Investmententscheidungen Märkte

Gold: Hat es sich ausgeglänzt?

am
26. August 2011

Eines gleich vorweg: Ich habe eine Long-Position in Gold. So wie vermutlich mittlerweile viele Bundesbürger. Nein, nicht aus Gründen der Spekulation, sondern aus Sicherheitsaspekten. Für den Fall, dass in der Eurozone oder auch anderswo in der Welt tatsächlich etwas Dramatisches passieren sollte. So gesehen, sollte mir die Wertentwicklung des gelben Metalls eigentlich relativ egal sein, aber ich habe mich natürlich gefreut, als die Preise während der vergangenen Wochen auch gegenüber dem Euro mächtig in die Höhe schossen.

Und nun ist es vorgestern geschehen: Gold erlitt den größten absoluten Verlust seit Januar 1980. Innerhalb von nur 48 Stunden fiel der Preis pro Unze um rund 210 Dollar. Prozentual sieht das nicht ganz so schlimm aus. So entspricht der Kursrückgang einem Wertverlust von knapp  11 Prozent. Gewinnmitnahmen seien der Grund für diesen Einbruch gewesen, sagte man mir. Außerdem seien die Margin-Erfordernisse, die Einschüsse für Gold-Futures, erhöht worden, wussten die Profis schon am Mittwochmorgen. „Gold price tumbles, but analysts refuse to call top of bull market”[1], konnte man gestern in der Financial Times lesen. Auch ich mag im Moment nicht derjenige sein, der das Wort „Trendwende“ in den Mund nimmt. Da würde ich mir angesichts meines eigenen Engagements genauso das Wasser abgraben wie jene Analysten. Ob auch sie ein paar Goldmünzen oder -barren ihr Eigen nennen? Was ein Commitment so alles ausmacht…

Ich rief also einen Bekannten an, von dem ich wusste, dass er einen großen Teil seines kompletten Vermögens in Gold investiert hatte, und fragte ohne Umschweife: „Was rätst du einem guten Freund in einer solchen Situation?“ – „Wenn Du noch kein Gold hast, dann kauf‘ es jetzt, und wenn du schon etwas besitzt, dann warte noch ein bisschen, denn die Korrektur könnte durchaus noch ein bisschen tiefer tragen“, erwiderte er fast wie aus der Pistole geschossen. Was? Ausgerechnet er riet mir, zu günstigeren Preisen dazu zu mischen? Mit einem Male zeigte mein sonst so risikoscheuer Bekannter („Der große Knall im Euro kommt bestimmt“) eine tollkühne Seite, die ich so bislang noch nicht an ihm entdeckt hatte. Denn die Strategie des so genannten „Verbilligens“ wählen die meisten nur, wenn sie ihr Engagement im Verlustbereich wähnen. Aber mein Bekannter hatte doch – soviel ich weiß – sein Gold schon vor langer Zeit gekauft.

Aber auch ich fühle mich seit einigen Tagen wie ein Verlierer. Obwohl ich doch gar nicht hatte spekulieren wollen. Um mein Risikoverhalten und das meines Bekannten zu hinterfragen, nahm ich mir eine Gold-Chart zur Hand und studierte sie sorgfältig: War das nun eine Korrektur oder die Trendwende? Nein, das war zweifellos eine heftige und längst überfällige Korrektur, wie sie so viele schon seit Wochen prophezeit hatten. Und dann blickte ich fast schon wehmütig auf das vergangene Allzeithoch, als ob es für lange Zeit das Letzte gewesen sein sollte! Wo doch der Markt nur korrigiert hatte. Ich aber schien meinen Referenzpunkt (der Punkt, an dem wir alle gerne verkauft hätten) nicht korrigiert zu haben. Ja, gegenüber dem Allzeithoch habe ich tatsächlich einen Verlust gemacht.

Und im Verlustbereich werden die meisten Menschen risikofreudig und erhöhen allein deshalb bereits ihren Einsatz – und dann sieht Gold jetzt ja auch wieder richtig günstig aus. Wäre es also ein Fehler, jetzt noch einmal zuzugreifen? Doch nur dann, wenn ich nicht an hohe Gewinne (also an hohe neue Allzeithochs) glauben würde…



[1] Das heißt: Gold stürzt, aber Analysten weigern sich, das Ende der Hausse auszurufen

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9 Kommentare
  1. Antworten

    Jochen

    26. August 2011

    So schreiben typische Goldzitterer. Wer sein Geld in Gold nur zur Absicherung umgeschichtet hat, wird nicht enttäuscht werden. Egal, ob etwas mehr, oder weniger wert. Physisches Gold wird niemals wertlos, im Vergleich zu Papiergeld. Dieses wurde schon unzählige Male werlos.
    Ich kann jedem denkenden Menschen nur ans Herz legen, sich nicht auf Papiergeld zu verlassen.
    Wichtig bei Besitz von Edelmetallen, es muß physisch vorhanden sein und nicht bei einer Bank deponiert sein! In diesem Sinne.

    Liebe Grüße aus Berlin
    Jochen

    • Antworten

      Joachim Goldberg

      26. August 2011

      Lieber Jochen,
      ich habe doch nicht spekulativ Gold gekauft! Sondern wie ich geschrieben habe, zur Absicherung gegen den schlimmsten Fall. Trotzdem bin ich ins Grübeln gekommen…

  2. Antworten

    alex13wetterau

    26. August 2011

    Herr Goldberg,

    das scheint mir vergleichbar mit etwas, was ich bei Taleb (Fooled bei Randomness) las: Beim Betrachten einer Position sollte man sich fragen, ob man sie zum jetztigen Preis immer noch eingehen würde. Beantwortet man diese Frage mit Nein, gäbe es auch keinen Grund, sie länger zu halten.
    Was denken Sie?

    • Antworten

      Joachim Goldberg

      26. August 2011

      Da gebe ich Ihnen völlig recht. Das Problem ist nur: Wenn ich bereits engagiert bin, könnte es sein, dass ich einen gewissen Tunnelblick habe, so daß ich die von Ihnen gestellte Frage viel eher mit Ja als mit Nein beantworten würde.

  3. Antworten

    alex13wetterau

    26. August 2011

    Fooled „by“ natürlich. Sorry 😉

  4. Antworten

    Frank Meyer

    26. August 2011

    Ich würde gerade noch etwas ergänzen. Wir haben den Dollar oder den Euro als Referenz. Ist es der wirkliche Maßstab? Wo steht Gold, wenn es eine der beiden Währungen nicht mehr geben würde? Vielleicht ist dieser Referenzpunkt falsch gewählt.

    • Antworten

      Joachim Goldberg

      26. August 2011

      @ Frank Meyer: Da kann ich nur zustimmen. Aber solange es Euro und USD noch gibt, darf ich doch die jüngsten Allzeithochs noch als Referenzpunkt nehmen? 😉 Jene werden nach Überschreiten für meine Zwecke ohnehin obsolet.

  5. Antworten

    sunny

    26. August 2011

    Ein ebenfalls interessanter Blog ist der von Markus Gärtner, auf dem ich gestern weiter unten in den Kommentaren eine interessante Ansicht zum Goldpreisrückgang in Verbindung mit dem Libyeneinsatz lass.
    Vielleicht findet das ja noch jemand interessant.
    Schönes WE 🙂
    http://blog.markusgaertner.com/2011/08/24/qe3-kommt-am-freitag-noch-nicht/

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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