Free lunch fatal
Japan und die Schweiz leiden momentan unter hohen Kapitalzuflüssen, so dass ihre Währungen während der vergangenen 18 Monate deutlich aufgewertet haben. Interessanterweise wird von Kommentatoren gerade der Anstieg des Schweizer Franken gegenüber dem Euro als Indiz für eine Kapitalflucht vor den Problemen in der Eurozone hervorgehoben, wobei tunlichst übersehen wird, dass auch der Dollar seit Anfang 2010 praktisch gleichermaßen gegenüber dem Franken abgewertet hat. Franken und Yen sind so stark geworden, dass die Zentralbanken der Schweiz (SNB) und Japans (BoJ) einem weiteren Anstieg ihrer Valuten durch massive Interventionen begegnen möchten. Beide jeweils mit ganz unterschiedlichen Strategien.
So hat die Schweizer Nationalbank durchblicken lassen, dass sie beabsichtigt, ihre Währung zumindest für eine Zeit lang an den Euro binden zu wollen. Entweder zu einem festen Kurs oder per Festlegung einer Wertobergrenze. In beiden Fällen müsste diese Bindung über Interventionen verteidigt werden. Allein schon die Ankündigung, dass der Vizepräsident der Nationalbank eine vorübergehende Kopplung des Franken an den Euro für denkbar halte[1], führte innerhalb von nur drei Tagen zu einem mehr als zehnprozentigen Kurssturz des Franken gegenüber Dollar und Euro. Wir erinnern uns: Letzterer wurde zutiefst bei 1,0075 gehandelt und zog sogar bis auf zuhöchst 1,1545 an. Ein Preis von 1,1500 wurde von vielen Händlern als möglicher fester Wechselkurs der SNB genannt. Viele Kommentatoren beklatschen diese Marktreaktion bereits als ersten Erfolg der Zentralbank.
Dabei scheint offenbar vielen Analysten nicht klar zu sein, dass mit dieser plötzlichen Abschwächung des Franken keineswegs dem Kapitalstrom aus Europa langfristig Paroli geboten wird. Vielmehr dürften ganz einfach viele Devisenhändler in Aussicht auf einen festen Wechselkurs versuchen, Kapital aus der Ankündigung der SNB zuschlagen: Sie kauften Euro (bzw. US-Dollar) gegen Schweizer Franken, um sie später zu einem garantierten Kurs an die Notenbank weiterzugeben, wenn selbige mit einer Untergrenze für den Euro ernst machen sollte. Die Folge: Der Euro gewann nicht nur deutlich an Wert, sondern steht wahrscheinlich als hohe Position in manchem Händlerbuch.
Während die einen die SNB loben, weil endlich einmal etwas gegen den wirtschaftlich bedrohlich hohen Wert des Franken unternommen werde, freuen sich die jüngsten Euro Käufer, wenn ihnen die Nationalbank demnächst durch die Fixierung ihres Wechselkurses einen Gewinn frei Haus beschert – eine Subvention, über die sich übrigens auch Kapitalflüchtlinge freuen werden.
Die Nationalbank ist bereits mit ihrer verbalen Intervention ein hohes psychisches Commitment eingegangen. Sollte sie ihre Ankündigung nicht wahr machen, würde sie von vielen Marktteilnehmern als unglaubwürdig eingestuft. Vor allen Dingen von denjenigen, die im Vertrauen auf einen festen Wechselkurs mit einem free lunch gerechnet hatten. Die Folge: Bereits eingegangene Euro-Positionen müssten wieder verkauft werden, was eventuell sogar eine Panik auslösen könnte. Bindet die SNB indes tatsächlich den Franken an den Euro, wäre sie für alle Akteure berechenbar, wobei es fraglich bleiben dürfte, ob die Nationalbank ohne Hilfe anderer Zentralbanken ihre Strategie langfristig aufrechterhalten können wird. Vielleicht hätte man einmal mit den Kollegen der japanischen Zentralbank sprechen sollen, deren Erfahrung in punkto Intervention auf eine lange Historie zurückblicken kann. Am vergangenen Donnerstag hat es übrigens der japanische Finanzminister Yoshihiko Noda, dem der hohe Wechselkurs des Yen auch nicht gefallen dürfte, auf den Punkt gebracht: Deviseninterventionen können einen mittelfristigem Trend nicht umkehren, stellte er unmissverständlich klar. Außerdem, was noch viel wichtiger ist: Interventionen müssen den Markt überraschen, so Noda. Womit er vollkommen Recht hat. Ansonsten treten wie im Fall der Schweiz Trittbrettfahrer auf den Plan, die bei der Lösung eines Wechselkursproblems mitverdienen möchten.