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16. Februar 2016

Es ist noch gar nicht lange her, da erklärte mir jemand mit verblüffender Logik, dass ein Aktiensparplan eigentlich alternativlos sei. Ginge es mit den Kursen nach oben, wüchse das Vermögen, und ginge es mit dem DAX nach unten, würde man für das gleiche Geld – wie tröstlich – mehr Aktien bekommen. Was sich der schlaue Ratgeber vielleicht nicht vorstellen konnte, war, dass man, wie jetzt geschehen, ganz plötzlich viel mehr Aktien für das gleiche Geld erhält. Ist da nicht etwas faul, wenn man Aktien geradezu nachgeworfen bekommt? Denn der besagte Aktiensparplan geht ja tatsächlich so lange gut, wie sich Aktienmärkte nach einem Kurssturz anschließend wieder erholen. Und in der Vergangenheit, so lehrt uns die Börsengeschichte, hat das ja auch immer geklappt. Ja, wir orientieren uns gerne an dem, was wir schon einmal erlebt haben, und das Internet sorgt dafür, dass wir im Zweifel solche Informationen sofort verfügbar haben. Zumal wir mit der Börsenhistorie zumindest unser Kontrollbedürfnis befriedigen.

Und da es Kursstürze, wie wir sie derzeit erleben, immer noch relativ selten, aber dennoch viel zu oft gibt, versucht man neue Krisen immer mit alten Krisen zu vergleichen. Wie war das noch damals, im Jahre 2008, als sich die Finanzkrise auf dem Höhepunkt befand? Ja, wir blickten in den Abgrund, Lehman ging Pleite, aber wir wurden gerettet. So einfach ist das. Mit diesem Wissen ausgestattet, könnte ein Aktiensparplan gleich einem Uhrwerk fortgesetzt werden. Solange man nicht den Mut verliert.

 

Es ist noch immer gut gegangen

Als ich kürzlich an gleicher Stelle (HIER) über Immobilieninvestments und doppelte Commitments schrieb, ahnte ich nicht, wie viel Resonanz ich auf diesen Beitrag bekommen sollte. Unter anderem stellte ein Leser fest, dass es, sofern man Wikipedia Glauben schenken möchte, nach einem Rückgang des MSCI World vom Top um 30, 40 oder 50 Prozent keine fünf Jahre gedauert hätte, bis sich ein deutliches Plus einstellte. Damit verbunden ging der Vorschlag einher, man könne diese Erkenntnis auch dieses Mal einsetzen und sich im Falle entsprechender Kursrückgänge mittels eines günstigen Wertpapierkredits gestaffelt mit ETFs eindecken. Ein Kredit, den der Leser mit seinem abbezahlten Wohnhaus besichern wollte. Nach dem Motto: „Wir beleihen wir unser Eigenheim und können auf diese Weise einen Teil der verpassten Rendite zurückholen.“

Tatsächlich wird jedoch nur Beton verflüssigt, um diese Liquidität in eine andere Anlageklasse zu investieren. Mal abgesehen davon, dass sich die Börsen-Geschichte nicht in dieser Form wiederholen muss, bin ich kein Freund von Wertpapierkäufen auf Kredit in jedweder Form. Zumal es in der Börsengeschichte durchaus einige – wenn auch seltene – Phasen gab, in denen Aktien auch über einen sehr langen Zeitraum hinweg schlecht abgeschnitten haben. Es gibt keine Garantie, dass dieses nicht wieder geschehen könnte.

Noch wichtiger ist jedoch meines Erachtens aus verhaltensorientierter Sicht, dass beim Wertpapierkredit neben dem Commitment (Bindung an eine Entscheidung) eines Wertpapierkaufs vom Entscheider zusätzlich ein separat geführtes „geistiges“ Konto (mentales Konto) bezüglich der gestellten Sicherheit eröffnet wird. Dessen Wirkung wird oft unterschätzt und zwar dann, wenn sich beim Aktienengagement Verluste einstellen und die Sicherheit unterzugehen droht. Dann geht es um teils sehr starke psychische Bindungen und Belastungen, die sinnvolle Entscheidungen gerade in kritischen Phasen unmöglich machen können.

Verluste erhöhen in jedem Fall die Bindung an die dazugehörigen Entscheidungen, eben das so genannte Commitment. Und wer dafür optiert – gerade weil es in der Vergangenheit immer gut gegangen ist –, langfristige Engagements am Aktienmarkt einzugehen, muss vorher klären, ob er sich Buchverluste leisten und ob er sie auch psychisch aushalten kann.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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