Märkte

Europäische Angst

am
16. August 2017

Ich freue mich jedes Mal, wenn ich die neue Umfrage von BofA Merrill Lynch unter globalen Fondsmanagern zu Gesicht bekomme. Gestern Abend war es wieder soweit. Dass die Investoren über die hohen Bewertungen besorgt sind, hat mich dabei nicht überrascht. Dazu passt, dass die Fondsmanager per Saldo 22 Prozent in US-Aktien untergewichtet sind (Vormonat 20 Prozent), für Großbritannien beträgt angesichts der undurchsichtigen Brexit-Verhandlungen dieser Anteil der Untergewichteten netto sogar 37 Prozent – das sind noch einmal 7 Prozent mehr als im Vormonat.

Besonders interessiert mich natürlich, wie sich die internationalen Fondsmanager zu Aktien der Eurozone äußern. Hier stellt die Umfrage einen anhaltend hohen Prozentsatz von übergewichteten Fondsmanagern fest: Mit 56 Prozent liegt diese Zahl etwas über dem Vormonat, befindet sich damit nicht nur knapp unter dem höchsten Niveau nach der Finanzkrise (Frühjahr 2015)[1] , sondern zeigt bereits den fünften Monat in Folge ähnlich hohe Werte. Während die Kassehaltung der Fondsmanager mit 4,9 Prozent international wie bereits im Vormonat deutlich über dem 10-Jahresdurchschnitt von 4,5 Prozent liegt, ist die Kassequote bei europäischen Investoren mit 5,3 Prozent besonders hoch – letztmals stellten BofA Merrill Lynch einen derart hohen Wert im März 2003 fest.

 

Hohe Kassehaltung

Damit wird zweierlei deutlich. Zum einen waren Aktien der Eurozone nach wie vor begehrt und es dürfte daher bislang auch kaum zu größeren internationalen Kapitalabflüssen gekommen sein, was natürlich auch für den DAX gilt, der ansonsten während der vergangenen Wochen wahrscheinlich noch stärker unter die Räder gekommen wäre.  Zum anderen zeigt die hohe Kassehaltung eine größere Risikoaversion europäischer Fondsmanager im Vergleich zu den übrigen Kollegen. Und dies dürfte nicht nur am Streit zwischen den USA und Nordkorea gelegen haben, denn die Befragung von BofA Merrill Lynch wurde vom 4. bis 10. August durchgeführt, begann also vor der Eskalation dieser Krise. Dies dürfte auch der Grund sein, warum die verbalen Auseinandersetzungen zwischen den USA und Nordkorea bei den Extremrisiken in der Umfrage bislang nur auf Platz drei rangierten. Fehler der Europäischen Zentralbank oder der US-Notenbank wurden übrigens immer noch als größtes Risiko angegeben.

Wie sich die heimischen Investoren gegenüber dem DAX positioniert haben und welche Folgen dies für die weitere Entwicklung des Börsenbarometers haben könnte, entnehmen Sie bitte HIER meinem Kommentar, den ich wie immer für die Börse Frankfurt erstellt habe – sollten Sie das Video-Interview bevorzugen, klicken Sie bitte HIER.

 

[1] Quelle: Bloomberg, gesehen am 15.8.2017: Political „Angst“ Turns Fund Managers Against U.K., U.S. Stocks

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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