Dollar am Morgen Märkte

Erstaunliche Gelassenheit

am
8. Mai 2019

EUR USD (1,1205)             „Schlechtes Timing“, mögen sich gestern Marktbeobachter angesichts der ohnehin schon ungünstigen Entwicklung im US-chinesischen Handelsstreit gesagt haben, als sie die neuesten Wachstumsvorhersagen der EU-Kommission präsentiert bekamen. Zwar wurde die Prognose für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in der Eurozone für das laufende Jahr lediglich von 1,3 auf 1,2 Prozent zurückgenommen, was vordergründig betrachtet eigentlich kein riesengroßer Aufreger sein dürfte. Aber dass die BIP-Prognose für Deutschland in diesem Jahr um mehr als die Hälfte auf 0,5 Prozent gesenkt wurde, ließ zumindest Aktienhändler aufhorchen. Und wie so oft bei solchen Prognosen wanderte die Aufmerksamkeit der Akteure besonders in Richtung Italien, wo die Auguren der EU-Kommission die Wachstumsaussichten für das laufende Jahr und das Jahr 2020 auf 0,1 bzw. 0,7 Prozent (jeweils -0,1 %) leicht nach unten korrigiert hatten. Aber in einer ersten Reaktion rechneten Kommentatoren ganz schnell nach, was dies für die Neuverschuldung Italiens bedeuten würde, dessen Haushaltsdefizit im kommenden Jahr den neuen Berechnungen zufolge nun 3,5 Prozent des BIP ausmachen würde – ein klarer Verstoß gegen die Regeln der EU. Indes: Die Reaktion der italienischen Anleiherenditen blieb überschaubar, genauso wie die des Euro zum US-Dollar.

 

Gerät die Fed unter Druck?

Während sich die Aktienmärkte gestern in den USA und auch hierzulande wegen der Trumpschen Drohung, die Handelszölle gegenüber China zu erhöhen, deutlich abschwächten, zeigte sich der Devisenhandel ausgesprochen ruhig. Von großer Risikoaversion war zumindest während der europäischen Handelssitzung wenig zu spüren, zumal sich eine typische Fluchtwährung, der Schweizerfranken, über weite Strecken sogar abschwächte. Dies ist insofern auch bemerkenswert, weil gestern früh bereits deutlich wurde, dass die Drohungen in Sachen Handelszölle keineswegs auf einen Alleingang Trumps zurückzuführen sind. Vielmehr dürften sich sowohl der US-Handelsbeauftragte Robert Lighthizer, aber auch Finanzminister Steven Mnuchin Medienberichten zufolge bereits im Vorfeld für höhere Zölle auf China-Importe stark gemacht haben, sofern bis Freitag keine Einigung im Handelsstreit erreicht würde.

          Sollten sich die Streitigkeiten hinziehen und die angedrohten höheren Importzölle tatsächlich greifen, bliebe dies wahrscheinlich nicht ohne Wirkung auf die Haltung der US-Notenbank. Zwar wiederholte gestern deren Vizepräsident Richard Clarida genau das, was bereits Fed-Chef Jerome Powell in der vergangenen Woche nach der Sitzung des Offenmarktausschusses (FOMC) gesagt hatte. Danach habe die Notenbank derzeit keine Veranlassung, sich in die eine oder andere Richtung zu bewegen; auch sehe er die schwache Inflation lediglich als temporär an. Eine Einstellung, die sich allerdings rasch ändern könnte, wenn der FOMC die Risiken, die sich aus einem ungelösten Handelskonflikt ergeben könnten, anders bewertet. Einmal mehr würde dies nämlich den Druck erhöhen, die Leitzinsen eben doch eher früher als später zu senken.

          Per Saldo geriet der Euro trotz aller ungünstigen Vorzeichen im Rahmen seines Abwärtstrends zwischen 1,1265 und 1,1050 auch gestern nicht stärker unter Druck. Tatsächlich scheint die Oberseite sogar etwas durchlässiger als die Unterseite des derzeitigen Marktumfeldes zu sein.

 

 

 

Hinweis

Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße Ihre Gültigkeit. Diese beträgt

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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