Alles nur Taktik?
EUR USD (1,1210) Es mag gestern Marktteilnehmer gegeben haben, die die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, die Strafzölle auf China-Importe zu erhöhen, mit Entsetzen aufgenommen haben. Denn jetzt war sie wieder da, die alte Drohung des US-Präsidenten, die Zölle auf Importe chinesischer Güter im Volumen von 200 Mrd. USD von derzeit 10 auf 25 Prozent zu erhöhen, falls es bis Freitag keine Einigung im Handelskonflikt geben sollte. Und dazu sollen noch weitere bislang unbesteuerte chinesische Güter im Volumen von 325 Mrd. USD kommen, die dann ebenfalls mit einer Strafsteuer von 25 Prozent belegt werden. Wo es doch in der vergangenen Woche bereits so aussah, also ob ein Kompromiss im Handelsstreit der USA mit China nur noch eine Sache von wenigen Wochen wäre.
Gleichwohl mag es gestern aber auch Akteure gegeben haben, die zwar ebenfalls leicht aufgeschreckt waren, aber nicht mit Entsetzen reagierten. Ganz einfach, weil die Erfolgsmeldungen in Sachen Handelskonflikt seit Wochen von US-Seite fast einschläfernd immer gleich lauteten. Es gebe sehr gute Fortschritte, hieß es, aber auch noch bedeutende Hindernisse. Insgesamt sei man optimistisch, trugen Vertreter der Trump-Administration gebetsmühlenartig vor. Bis gestern.
Natürlich haben sich die Aktienmärkte – darunter ganz besonders der Shanghai Composite mit Verlusten von zeitweise mehr als 6 Prozent – anfänglich mehr oder weniger deutlich abgeschwächt. Aber sie haben sich anschließend auch wieder erholt. Und die Wechselkurse? Die typischen Krisenwährungen Schweizerfranken und Yen waren zwar anfangs gesucht, mussten aber im Verlauf der europäischen Handelssitzung (unter der feiertagsbedingten Abwesenheit japanischer und britischer Händler) diese Gewinne wieder abgeben. Mit anderen Worten: Die Trumpschen Tweets haben längst nicht so eingeschlagen, wie man es vielleicht hätte erwarten können.
Bezugspunkt „100“
Manche Akteure haben sich vermutlich auch die Frage gestellt, ob die jüngsten Drohungen des US Präsidenten lediglich Teil einer Verhandlungstaktik sein könnten. Dann wäre ja alles nicht so schlimm, so die Schlussfolgerung mancher Kommentatoren. Andere warnten indes davor, dass China womöglich die Verhandlungen ganz abbrechen könnte. Aber gestern Nachmittag schien es so, als ob sich China nicht vollends abwenden würde. Nachdem anfangs noch Meldungen die Runde machten, dass die chinesischen Unterhändler ihre Reise nach Washington – man erwartet dort Morgen eine chinesische Delegation unter Führung des chinesischen Vizepremiers Liu He – verschieben könnte, scheint sich China trotz der Drohungen Trumps kompromissbereit zu zeigen. Zumindest hörte man aus dem Außenministerium, dass eine Delegation nach Washington reisen werde. Allerdings ist unklar, ob der Vizepremier tatsächlich an den Verhandlungen teilnehmen wird und ob die angekündigten 100 Delegierten wirklich anreisen werden. Bereits jetzt scheinen sich Marktstrategen an diesen Bezugspunkt „100“ zu klammern. Denn daran, wie viele Vertreter von den 100 am Ende in die US-Hauptstadt anreisen, lässt sich nach Ansicht einiger Beobachter ermessen, wie es um die Beilegung des Handelskonflikt bestellt ist.
Unterdessen war auch der Dollar nur zur Handelseröffnung gestern früh in Australien vorübergehend etwas stärker gefragt, musste aber gegenüber dem Euro seine ohnehin überschaubaren Gewinne (rund 40 Stellen) allesamt wieder abgeben. Erneut wurde gestern wieder klar, dass der schwache Abwärtstrend des Euro (zwischen 1,1270 und 1,1045/50) selbst unter dem Eindruck ungünstiger Nachrichten derzeit nicht ins Laufen kommt.
Hinweis
Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße Ihre Gültigkeit. Diese beträgt
für EUR/USD 10 Stellen.