Eine weitere Schraubendrehung
EUR USD (1,1300) Feiertage wie der Fronleichnamstag, der gestern in einigen Bundesländern begangen wurde, haben einen großen Vorteil: Man kann erst einmal aus sicherer Distanz zusehen, wie sich wichtige Ereignisse in den Märkten niederschlagen. Und vor allen Dingen, wie Kommentatoren ihre anfängliche Meinung infolge von neuen Marktentwicklungen ändern. Die Rede ist von der am Mittwoch beendeten Sitzung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank (FOMC), bei der Fed-Chef Jerome Powell eine selten undankbare Rolle zukam: Die Abwägung zwischen der tatsächlichen Notwendigkeit, die geldpolitische Linie der Fed zu ändern, und dem Druck, den bereits weit fortgeschrittenen Erwartungen der Marktteilnehmer gerecht zu werden. Ganz zu schweigen von dem Ungemach, das von US-Präsident Donald Trump ausging. Denn dieser dachte öffentlich darüber nach, welche legalen Möglichkeiten ihm zur Verfügung stünden, um sich des für ihn unbequemen Fed-Chefs zu entledigen.
Powell hat sich gut geschlagen
Kurzum: Jerome Powell hat eigentlich aus der Notenbanksitzung das Beste gemacht, was unter diesen Umständen möglich war. Auf der einen Seite hielt das Statement der Fed einen taubenhafteren Ausblick als zuvor bereit, auch ohne, dass dabei die Zinsen gesenkt wurden. Indes: Mittlerweile die Hälfte der Mitglieder des Offenmarktausschusses erwartet, wie sich an den sogenannten DOT-Plots ablesen lässt, zwei Zinssenkungen à 25 Basispunkte bis zum Jahresende. Und wenn man die Stimme des Abweichlers beim Zinsentscheid im Offenmarktausschuss, des Chefs der Fed von St. Louis, James Bullard, hinzunimmt, der sich offen für eine sofortige Zinssenkung schon für die Sitzung am vergangenen Mittwoch aussprach, kann man dies als einen cleveren Zug bewerten: Sich als Notenbank zwar so taubenhaft wie möglich zu präsentieren, ohne aber sich dem Vorwurf aussetzen zu müssen, sich vorschnell dem Druck der Öffentlichkeit und des US-Präsidenten gebeugt zu haben.
Moderatere Wachstumserwartung, aber keine Rezession
Blickt man indes auf die ökonomischen Prognosen des FOMC, wird umso deutlicher, wie sehr die Ansicht der Fed und diejenige der Finanzmärkte tatsächlich auseinanderliegen. Das US-Wachstum wird zwar nur noch als moderat bezeichnet, aber die Prognosen der FOMC-Mitglieder haben sich kaum verändert und bieten keinerlei Indizien für eine Rezession. Aber auch die Median-Prognosen für die Kerninflation sind gegenüber März für dieses und das kommende Jahr mit 1,8 bzw. 1,9 Prozent nicht dramatisch gefallen.
Dennoch haben die Finanzmärkte gestern deutlich reagiert. So konnte der breit gestreute US-Aktienmarkt-Index S&P 500 ein neues Allzeithoch markieren, während die US-Anleiherenditen weiter gefallen sind. Ein Blick auf die Futures-Märkte zeigt überdies, dass die ohnehin bereits hohen impliziten Wahrscheinlichkeiten für Zinssenkungen in diesem Jahr weiter angezogen haben. So vermittelt das CME FedWatch Tool, dass es mittlerweile nicht mehr darum geht, ob die Fed bei ihrer Juli-Sitzung die Zinsen senken wird (100 Prozent Wahrscheinlichkeit), sondern darum, um wie viel Prozent. Dabei beträgt die Wahrscheinlichkeit für einen großen Zinsschritt von 50 Basispunkten nunmehr rund 43 Prozent. Dies wiederum hat mancherorts bei Kommentatoren zu dem für mich nicht nachvollziehbaren Schluss geführt, Jerome Powell hätte sich dem Druck Donald Trumps gebeugt.
Dennoch: Auch der Dollar hat sich gegenüber vielen Valuten, darunter auch der Euro, deutlich abgeschwächt. Dennoch können wir der Gemeinschaftswährung per Saldo für die zurückliegenden beiden Handelstage keine innere Stärke bescheinigen. Blickt man auf die Statements einiger EZB-Ratsmitglieder, ist der Euro sogar überraschend ungeschoren davongekommen. Sei es, dass das Ratsmitglied Olli Rehn (Finnland) gestern darüber nachdachte, die Anleihekäufe in der Eurozone wieder zu beleben, oder Klaas Knot, der sich offenbar aktiv damit auseinandersetzt, über welche Notfallpläne die EZB für den Fall verfügt, falls das Wachstum hierzulande keine Fahrt mehr aufnehmen sollte. Dies ist insofern bemerkenswert, als es sich beim Chef der Zentralbank der Niederlande um einen ausgewiesenen Falken handelt. Dennoch hat sich der Euro zum Dollar innerhalb seiner Konsolidierungszone zwischen 1,1110 und 1,1345 überraschend deutlich befestigt. Und die Gemeinschaftswährung bleibt stabil, solange sie sich oberhalb von 1,1225/30 bewegt.
Hinweise
Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 10 Stellen.