Deal mit großen Fragezeichen
EUR USD (1,1125) Es dürfte gestern während der europäischen Handelssitzung wohl keinen Bereich an den Finanzmärkten gegeben haben, der nicht von den Verhandlungen zum Brexit-Vertrag zwischen der EU und Großbritannien betroffen gewesen war. Und insgeheim haben sich doch viele Akteure gewundert, dass der britische Premierminister Boris Johnson und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker gestern tatsächlich den Abschluss eines „great new deal“ verkünden konnten. Offenbar sei Johnson, wie es die britische Zeitung The Times gestern feststellte, ein besserer und effektiverer Premierminister, als sich dies viele [Parlamentarier] in Westminster gedacht hatten.
Eine andere Erkenntnis von gestern dürfte darin bestanden haben, dass sich Johnson auf dem Weg zu diesem Deal zeitweise umstrittener Hilfsmittel bedient und dabei bekanntermaßen die eine oder andere rote Linie überschritten hat. Aber dies dürfte angesichts des Erfolges, den vermutlich selbst mancher Parteifreund Johnsons nicht für möglich hielt, wohl in den Hintergrund treten. Allerdings nicht bei denjenigen Abgeordneten, die Boris Johnson einst vor den Kopf gestoßen und aus der Fraktion gedrängt hat.
Der „Deal“ muss noch durchs Unterhaus
Stimmen, auf die Johnson auf jeden Fall angewiesen sein dürfte. Denn bei dem gestrigen vereinbarten Abkommen mit der EU hat die nordirische DUP ein gewichtiges Wort mitzureden. Aber bislang ist es ausgesprochen unsicher, ob die DUP bei der Abstimmung am Samstag im britischen Unterhaus ihre Zustimmung zum Deal geben wird. Denn die DUP, die derzeit die Tory-Minderheitsregierung stützt, zeigte sich gestern von dem neuen Abkommen wenig begeistert, um das Mindeste zu sagen. Aber gerade, weil Boris Johnsons Lage vor gut einer Woche in Sachen Brexit-Abkommen noch trostlos aussah und der Premier eine bemerkenswerte Wende hinlegte, zeigten sich die Aktienmarkt-Teilnehmer vor allen Dingen hierzulande besonders optimistisch. Und selbst der Euro profitierte im Verhältnis zum Dollar von einer gewissen Euphorie, die sich hier und da breitmachte.
Ökonomische Daten drücken auf Greenback
Letztlich sorgten aber auch diverse ökonomische Daten aus den USA dafür, dass der Dollar weiterhin unter Druck stand. So blieben sowohl die Zahlen zur Industrieproduktion, zur Kapazitätsauslastung als auch die Neubaubeginne im September hinter den Erwartungen der Ökonomen zurück. Dies alles hatte jedoch keine Auswirkung auf das viel beachtete Prognosemodell der Fed von Atlanta, GDPNow, das unverändert ein Wachstum von 1,8 Prozent (annualisiert) für das dritte Quartal vorsieht. Damit bleibt der Aufwärtsimpuls des Euro nunmehr mit Potenzial bis 1,1230 – dieses muss nicht zwingend ausgeschöpft werden – erhalten. Zumindest, solange an der Unterseite 1,1030 unverletzt bleibt.
Hinweis
Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 10 Stellen.