DAX: Head & Shoulders und andere Bedrohungen
Nun habe ich mich schon seit langer Zeit von der Chartanalyse verabschiedet, bin aber jetzt ein paarmal darauf angesprochen worden, wie ich auf der wöchentlichen Chart die große Head & Shoulders Formation beim DAX einschätze. Mir ist aufgefallen, dass dieses Thema zuletzt nicht so häufig kommentiert wurde, möglicherweise, weil diese Formation die wichtigste und bekannteste aller Chartbilder darstellt: Head & Shoulders am Ende eines Aufwärtstrends verheißt laut Lehrbuch nichts Gutes. Aber das wissen fast alle, die mit Finanzmärkten zu tun haben. Und ich kann mir gut vorstellen, dass viele Akteure im Vertrauen auf solche Formationen schon viel Geld verloren haben, weil es nicht wie erwartet nach Durchbruch der Nackenlinie (beim DAX liegt sie derzeit bei 8.895 Zählern!) zum großen Ausverkauf kam. Stattdessen gab es aufgrund des hohen Bekanntheitsgrades (vgl. dazu auch HIER) häufig Fehlsignale, so dass möglicherweise kaum jemand mehr auf dieses einst so bedeutungsvolle Muster blickt. Zumal die DAX-Formation auch nicht gerade besonders schön geschnitten ist, was manchen Chartisten zur Zurückhaltung mahnen dürfte.
Vielleicht bin ich gerade deswegen ins Grübeln gekommen. Aber die Situation ist geradezu klassisch. Als der DAX nämlich am 19. September sein letztes Zwischenhoch markierte, konnte man bei der Stimmung der mittelfristigen Anleger zwei Tage zuvor einen vergleichsweise hohen Optimismus feststellen. Ebenfalls am 19. September markierte der amerikanische S&P 500 übrigens sein jüngstes Allzeithoch, weswegen der eine oder andere sich für den DAX Ähnliches versprochen haben mag. Wer jedoch im gleichen Zeitraum den Kurs des Euro gegenüber dem US-Dollar betrachtet, muss unweigerlich zum Schluss kommen, dass zumindest US-Anleger derzeit kein gesteigertes Interesse an europäischen, geschweige denn an deutschen Aktien zu haben scheinen. Und wenn Bundesbankpräsident Jens Weidmann in seinem gestrigen Interview im „Wall Street Journal“ erneut seine Bedenken gegenüber weitergehenden Maßnahmen der EZB zum Ausdruck bringt, wird deutlich, dass man dort mit einem schwachen Euro mehr als gut leben kann. Wenn dann auch noch gestern der US-Finanzminister Lew betonte, dass ein starker Dollar für die Vereinigten Staaten gut sei, wird für mich zweierlei deutlich.
Mit einem noch stärkeren US-Dollar erübrigt sich die Dringlichkeit einer schnellen Zinswende für die US-Notenbank. Wichtiger aber noch ist für mich die Tatsache, dass mit einem gewollten Einbahnstraßenkurs des Euro zum Dollar („never fight the central banks“) internationale Investoren bei einem solchen Wechselkursrisiko erst recht keinen Appetit haben dürften, sich im DAX zu engagieren. Wenn dann auch noch die jüngste Erhebung der Börse Frankfurt – meinen Kommentar dazu finden Sie HIER – einen fast unveränderten Optimismus mittelfristiger deutscher institutioneller und privater Investoren zeitigt, zeichnet sich definitiv ab, dass der DAX in den kommenden Wochen mit hoher Wahrscheinlichkeit unter massivem Druck stehen dürfte. Auch ohne Chartbild.