Computerhandel II: Fragwürdige Hilfen
In meinen Blogbeitrag vom Freitag bezog ich mich auf einen Artikel in der FTD, in dem die Performance computergestützter Fonds für Devisen während der vergangenen 12 Monate unter die Lupe genommen wurde. Das Ergebnis erscheint auf den ersten Blick ernüchternd. Interessant sind allerdings die Ratschläge, die Händler genau in dieser Situation gerne erteilen, um „dem Computer auf die Sprünge zu helfen“. Da schlägt zum Beispiel eine Analystin vor, Volatilitätsphasen einfach auszusitzen, weil die Computermodelle damit überfordert seien. Für die Praxis hieße das, man stellt den Computer einfach für eine bestimmte Zeit lang ab, bis es am Markt wieder ruhiger geworden ist. Abgesehen davon, dass die Entscheidung, wann aus- und wann wie eingestiegen werden sollte, von einem Menschen getroffen würde, der dabei auf nicht unerhebliche Timing-Probleme stoßen dürfte, gibt es bis heute meiner Kenntnis nach noch kein Computermodell, das Volatilitätsphasen im Devisenhandel anhaltend treffsicher vorhersagen kann.
Systematisch gegen Dispositionseffekt
Aber die eigentliche Crux dieses gut gemeinten Rates ist ganz woanders zu suchen. Computerisierte Handelsmodelle wurden entwickelt, weil man dem menschlichen Akteur in erster Linie die Fähigkeit absprach, diszipliniert zu handeln. Sprich: Verluste früh zu begrenzen und Gewinne mindestens bis zu einer gewissen Größenordnung laufen zu lassen – in der Behavioral Finance wird diese menschliche Schwäche als Dispositionseffekt bezeichnet, und dass diese Fehlleistung immer wieder und in schöner Regelmäßigkeit auftritt, konnte eingehend nachgewiesen werden. Ein Handelsmodell sollte gewissermaßen menschliche Entscheidungen systematisieren und so die ineffizienten Phasen in den Finanzmärkten ausnutzen, die mitunter durch psychisch verzerrte Verhaltensweisen anderer Akteure zustande kommen. Genau genommen handelt es sich um einen rationalen Ansatz, der dem Bild des Homo Oeconomicus recht nahe kommt.
Computer nicht einfach an- und abstellen
Wer jedoch fordert, man solle den Computer einfach zeitweise abstellen, um ihn so vor Fehlentscheidungen zu bewahren, schaltet damit zumindest zeitweise auch den konsequenten Handelsansatz aus und ersetzt ihn durch menschliche Entscheidungen, deren Schwächen durch den Computer eigentlich ausgemerzt werden sollten. Tröstlich: ein Vermögensverwalter warnte in selbigem FTD-Artikel davor, Signale zu ignorieren sei ein Betrug am Anleger. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Es handelt sich um Selbstbetrug.
Stellschrauben zur Optimierung
Zu diesem Selbstbetrug gehört auch immer wieder die Forderung mancher Händler, man müsse nur an ein paar Parameterschrauben des Systems drehen, wenn dieses aufgrund seiner schlechten Performance offenbar nicht mehr zeitgemäß sei. Etwa, weil die Euro-Krise die Wirkung von Fundamentaldaten überlagert. Auch dies ist ein Ratschlag, der meist nicht zu einer Verbesserung der zukünftigen Performance führt. Ein nachträgliches Anpassen eines Systems an scheinbar neue Marktgegebenheiten (in der Fachsprache auch als Re-Optimierung bezeichnet) ist entgegen aller Intuition nichts anderes als eine Angleichung dieses Ansatzes an die Vergangenheit.
Derartige Re-Optimierungsbestrebungen finden wir übrigens auch in anderen Bereichen der Finanzwelt, etwa als im Rahmen der Finanzkrise Modelle der Ratingagenturen ihren Dienst versagten und daher „an die neue Situation angepasst“ werden sollten.
Das Ende vom Lied: Man nimmt irgendwann von systematischen Ansätzen Abstand – aber nicht für immer. Warum, das erfahren Sie im dritten Teil des Blogs.
Mintchev
Das gibt es wohl! Das Compüterprogram, das die stark Volatilenfasen ignoriert. So ein Program sagt nicht vorher solche Fasen, es ignoriert sie einfach während des Handels.
Joachim Goldberg
Sie sagen es. Es gibt tatsächlich Programme, die volatile Phasen ignorieren. Aber eben erst nachdem sie erkannt wurden.