Märkte

Billig ist mir zu viel teuer

am
7. Juli 2014

Börsianer haben derzeit ein echtes Problem: Selten erschien ihnen der Aktienmarkt so unverständlich und rätselhaft wie im Augenblick. Naturgemäß fällt es vielen Akteuren ohnehin schwer, trotz positiver Prognosen noch an der Spitze des Aufwärtstrends einzusteigen. Obwohl dies in erster Linie eine Frage des Referenzpunktes und nicht unbedingt eine Frage der Aktienkursbewertung ist. Ich habe sogar den Eindruck gewonnen, dass manche deutsche Aktie derzeit preiswerter zu sein scheint als im Januar. Aber das ist nicht mein Metier.

Vielmehr geht es mir um die Entscheidung, ob man einfach einsteigen oder eine Korrektur abwarten soll, um sich anschließend nicht vorwerfen zu müssen, die höchsten Kurse bezahlt zu haben. Abgesehen davon, dass viele Akteure bei einer schnellen Gegenbewegung des DAX von etwa drei Prozent ohnehin sich nicht trauen würden, zuzugreifen, weil ausgerechnet dann genügend Gründe dagegen sprechen dürften. Vielmehr muss man sich doch die Frage stellen, ob es überhaupt sinnvoll erscheint, auf eine Korrektur zu hoffen, die nichts anderes als nur einen relativen Gewinn im Vergleich zu einem bisherigen Kursmaximum darstellt. Verbunden mit dem Risiko, dass sich diese als günstig empfundene Kaufgelegenheit überhaupt nicht erst einstellt und einem die Aktienkurse plötzlich davonlaufen. Für einen Möchtegern-Bullen würde dies dann einen entgangenen Gewinn bedeuten.

Mit anderen Worten: Einem begrenzten relativen Gewinn in Gestalt einer Korrektur, stünde bei einem verpassten Einstieg ein unlimitierter entgangener Gewinn bzw. ein relativer Verlust gegenüber. Und dies steht zumindest im krassen Gegensatz zu der von vielen Marktteilnehmern und unter anderem auch von mir vertretenen These, dass man Verluste frühzeitig begrenzen muss und Gewinne (in einem vertretbaren Verhältnis dazu) am besten laufen lassen soll.

Verluste in Form von entgangenen Gewinnen haben für Anleger – zumindest für diejenigen, die ihre Performance nicht mit anderen Mitstreitern vergleichen lassen müssen – immerhin den Vorteil, dass man sie nicht realisieren muss. Das wäre erst dann der Fall, wenn man sich am Ende doch noch, möglicherweise dann bei einem DAX-Stand von 11.000, zu einem Aktienkauf entschließen sollte. Und selbst dann treten diese Verluste nur in Form eines relativ schlechten Einstandspreises in Erscheinung.

 

Aktienkauf mit Netz?

Daher scheint mir die Strategie, nichts zu tun, auf eine Korrektur zu warten oder einem davon laufenden Markt tatenlos nachzutrauern und so letztlich auf seinem Tagesgeld sitzen zu bleiben, dessen Wert nach und nach von negativen Realzinsen zerfressen wird, nicht als eine gerade sonderlich überzeugende Alternative zu sein.

Allerdings macht es für mich genauso wenig Sinn, Aktien zu kaufen und diese – genau das wird aber von namhaften Börsenexperten derzeit wieder einmal allen Ernstes empfohlen – mit Verkaufsoptionen gegen einen möglichen Kursverfall abzusichern. Selbst wenn die Optionsprämien, die man für eine derartige Versicherung bezahlen muss, derzeit (aufgrund der niedrigen impliziten Volatilität) sehr niedrig ausfallen. Wer auf diese Art und Weise während der vergangenen Jahre, womöglich seit einem DAX-Stand von 8.000 Zählern, sein Depot mit Put-Optionen konsequent abgesichert hat, dürfte mittlerweile wohl zu dem Schluss gekommen sein, dass selbst eine billige Absicherungsstrategie noch zu teuer sein kann.

Am Ende bleibt der Eindruck, dass der größte Feind unserer Entscheidungen eigentlich das Bedauern ist, das sich einstellt, wenn sich jene als schlecht herausstellen sollten. Und an diesem sogenannten Regret ändert auch ein marginal besserer Einstandspreis letztlich nur wenig. Bei aller Angst vor einer möglichen Fehlentscheidung vergessen wir übrigens die Freude, die uns andererseits bereits eine halbwegs gute Entscheidung schenken kann.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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