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Alarmzeichen?

am
13. März 2014

Als ich gestern im manager magazin online den Beitrag Die Spielsüchtigen – Geldhäuser zocken wieder fand, stellte ich fest: Es wurden überwiegend wieder einmal Stereotype bedient. Dennoch kam wahrscheinlich nicht nur bei mir beim Lesen ein ungutes Gefühl auf, der nächste Crash könnte näher sein als uns lieb ist. Weil die Geldhäuser, wie es der Autor des Artikels Ulric Papendick so schön beschreibt, zocken wie eh und je. Und als Indizien für eine neuerliche Finanzkrise werden im Großen und Ganzen die Ingredienzen des Cocktails genannt, die einst zur Finanzkrise der Jahre 2008 ff. geführt haben: hohe Risiken, toxische Anlagen, überbewertete Immobilien, Spitzengehälter.  Und, was keinesfalls fehlen darf, die Gier der Banker, die wieder prächtig verdienen. Jetzt beseitigt auch noch der Anlagenotstand vieler Investoren die letzten Hemmungen. Dabei spielt die Investmentbank J. P. Morgan offenbar eine besonders wichtige Rolle. Nicht nur, weil mit dem Handel und Verkauf hochverzinslicher Papiere Milliarden Dollar verdient wurden, sondern weil die Europazentrale des New Yorker Finanzgiganten ausgerechnet in dem Gebäude residiert, wo sich einst auch die Europazentrale von der Pleitebank Lehman Brothers befand. Da drängt sich dem Leser doch gleich ein fürchterlicher Verdacht auf. Ob sich die Geschichte womöglich wiederholt? Wo doch die Banker längst der Ethik und der Moral wieder eine lange Nase ziehen und in London und New York wieder wie damals, vor der vergangenen Finanzkrise, teure Automarken bestellen und feudal dinieren.

Allerdings sorgt der Verfügbarkeitsirrtum – also die Neigung der Menschen, leicht verständliche, dramatische, farbige Informationen sowie leicht erkennbare Muster der Vergangenheit, bevorzugt wahrzunehmen – dafür, dass wir derartigen Berichten möglicherweise ein Gewicht beigemessen, das sie nicht verdienen. Sie sind per se zwar nicht falsch. Jedoch besteht das Problem mit solch schaurigen Geschichten darin, dass ein guter Teil davon durchaus wahr ist, aber aufgrund eben dieser verfügbaren alten Muster Verbindungen und Schlüsse gezogen werden, die in die Irre führen können.

 

Der Begriff „Zukunft“ ist dehnbar

Dabei gehöre auch ich zu denen, die in den derzeit sehr niedrigen Zinsen und der überbordenden Liquidität der US-Notenbank die Wirkung einer Droge sehen, die man den Finanzmärkten wahrscheinlich nie mehr ohne gravierende Folgen vollständig wird entziehen können. Und wenn ich dann nackte Zahlen zu lesen bekomme (CNBC.com), wonach Unternehmen außerhalb des Finanzsektors seit Beginn des Jahres ein Rekordvolumen von mehr als 236 Milliarden US-Dollar an Krediten guter Qualität aufgenommen haben, kommt natürlich bei mir sofort die Frage auf, was mit diesem Geld gemacht wurde. Ich habe nicht den Eindruck, dass ein Großteil dieses Geldes in wachstumsträchtige Investitionen eingesetzt wurde. Wenn man berücksichtigt, dass derartige Unternehmen seit Mitte Dezember eigene Aktien im Werte von etwa 115 Milliarden US-Dollar zurückgekauft haben sollen, wundere ich mich nicht, wenn hier und da tatsächlich ausgiebig gefeiert wird.

Ich bin nicht der einzige, der derzeit bezüglich der Notenbankpolitik des ultraleichten Geldes pessimistisch in die Zukunft blickt. Doch der Begriff Zukunft ist dehnbar. Denn die frühen Crash-Auguren der Jahre 2012 und 2013 haben schmerzhaft erkennen müssen, wie falsch getimte Kassandrarufe ihre Jünger mitunter sehr teuer zu stehen kamen. Weswegen der eine oder andere Experte mittlerweile sogar in die Wüste geschickt wurde. Und je länger dieser Zustand teilweise künstlich aufgepumpter Börsen anhält, desto unglaubwürdiger werden die verbliebenen Schwarzmaler. Einer von ihnen wird – sofern er nur lange genug mit pessimistischen Prognosen durchhält – eines Tages sogar Recht bekommen, weil er das Glück hat, zur rechten Zeit am rechten Ort von vielen Menschen wahrgenommen zu werden. Das wird dann der neue Guru.

Wir müssen uns unterdessen mit weitaus profaneren Dingen auseinandersetzen. Etwa mit der Stimmung der Börsianer, die mein Mitstreiter Gianni Hirschmüller heute für die Börse Frankfurt (hier) analysiert und kommentiert hat.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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