Dollar am Morgen Märkte

Absehbare Enttäuschung

am
10. September 2019

EUR USD (1,1045)             Es sind die kommenden Sitzungen der Europäischen Zentralbank und der US-Notenbank, die derzeit die Diskussionen der Händler und Kommentatoren beherrschen. Und dabei hat sich ein gewisser Unterton herauskristallisiert: Die Erwartungen der Marktteilnehmer an etwaige Maßnahmen der Notenbanken, um die Wirtschaft zu stimulieren, sind zu hoch – Enttäuschungspotenzial ist also durchaus vorhanden. Eigentlich spielt jetzt nur noch die Reihenfolge der möglichen Enttäuschungen eine Rolle, damit sich die Entwicklung des Euro zum US-Dollar einschätzen lässt.

Den ersten Schritt macht bekanntlich die EZB mit ihrer Ratssitzung am kommenden Donnerstag, bei der zum einen eine Senkung des Einlagenzinses, möglicherweise verbunden mit einer Staffelung desselben, erwartet wird. Eine Senkung um 20 Basispunkte – die anderen Zinssätze bleiben unverändert – könnte es schon werden, so mancherorts die Erwartung. Plus möglicherweise einer veränderten Forward Guidance mit dem Hinweis, unter welchen Umständen überhaupt in der fernen Zukunft mit einer ersten Zinserhöhung zu rechnen sei. Zudem ist eine Wiederaufnahme der Anleihekäufe im Gespräch, wobei mit dem Widerstand der Falken im EZB-Rat zu rechnen ist. Werden die Anleihekäufe eine Größenordnung von 45 bis 60 Mrd. Euro pro Monat erreichen?

 

Extreme unbewusste Referenzpunkte

Egal, wie die tatsächlichen Maßnahmen und Werte ausfallen: Sie sind in den Köpfen der Händler bereits verankert, und zwar in ihrer bisherigen Extremform. Und genau dies macht es der EZB so gut wie unmöglich, die Teilnehmer an den Finanzmärkten in Sachen geldpolitischer Lockerung noch zu überraschen. Mit anderen Worten: Die Wahrscheinlichkeit für einen steigenden Euro ist angesichts des Enttäuschungspotenzials aus dieser Sicht recht hoch.

Eine Woche später endet die Sitzung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank (FOMC), und auch dort sind die Markterwartungen insgeheim höher als das, was die Fed vermutlich liefern wird. Zwar signalisieren die Fed Funds-Futures derzeit keine Zinssenkung von 50 Basispunkten – die implizite Wahrscheinlichkeit dafür betrug gestern laut CME FedWatch Tool 0 Prozent –, die Zahl „50“ bleibt dennoch bei vielen Akteuren im Hinterkopf verankert. Selbst wenn diese Marktteilnehmer alles andere als eine Zinssenkung von 25 Basispunkten vordergründig sogar wegrationalisieren würden, sind 50 Basispunkte einmal als Option im Raum gestanden und bleiben unbewusst ein nicht zu unterschätzender Maßstab. Kurzum: Eine Senkung der Zielzone der Fed Funds um 25 Basispunkte wäre so gesehen eine Enttäuschung und ein späteres Kaufargument für den US-Dollar.

 

Unter Druck

Es entsteht der Eindruck, als würden die Zentralbanken der Eurozone und der USA von den Teilnehmern an den Finanzmärkten indirekt massiv unter Druck gesetzt. Ein Druck, der letztlich, so die Meinung mancher Kommentatoren, nur von der Fiskalpolitik gesenkt werden kann. Und wie ein Stimulus diesbezüglich aussehen könnte, vermittelte gestern ein Medienbericht, der sich auf die Einlassungen mehrerer Regierungsbeamter stützt. Danach liebäugelt die deutsche Regierung offenbar mit einer zusätzlichen Verschuldung über einen Schattenhaushalt, um die Investments in die Infrastruktur und den Klimaschutz zu erhöhen. Und zwar unter Umgehung der Staatsschuldenregel. Aber natürlich nur, wenn sich der wirtschaftliche Ausblick verschlechtern sollte.

Immerhin: Der Euro konnte sich gestern daraufhin etwas befestigen, aber der Ausschlag war letztlich recht überschaubar. Deswegen bleibt es beim kurzfristigen Abwärtstrend (1,1085 (1,1145) bis 1,0885/90, welcher derzeit korrigiert wird. Die aufwärtsgerichtete Korrekturphase wäre mit Unterlaufen von 1,0985 übrigens beendet.

 

Hinweis

Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 10 Stellen.

 

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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