Märkte

Aus den Szenarien gerissen

am
19. April 2012

Eigentlich war ich nur zehn Tage in Urlaub gewesen, doch danach sah die Welt der Finanzmärkte wieder vollkommen anders aus. Das vergleichsweise ruhige Marktumfeld vor Ostern hat sich während dieser Zeit wieder einmal in einen Krisenschauplatz verwandelt. Vornehmlich wegen Italien und Spanien. Ich, der sich während dieser Zeit den Luxus geleistet hatte, sich über die Finanzmärkte nur ganz oberflächlich zu informieren, bin richtig aus „meinen Szenarien“ gerissen worden. Natürlich mit kräftiger medialer „Hilfe“, wo einige Kommentatoren für Spanien keinen Ausweg mehr sehen wollen. Und nachdem deren Anleiheemission am Dienstag besser als befürchtet verlaufen ist, bewirken die neuesten Meldungen, dass sich die Investoren vorsorglich vor der heutigen Auktion abermals sorgen. Denn die Hauspreise sind weiter gefallen und die Banken müssen sich mit faulen Krediten herumschlagen – so sehr wie zuletzt vor 18 Jahren.

Unterdessen wundere ich mich über die Prognosen des IWF, die vor allen Dingen auf der Inflationsseite so niedrig sind, dass man nicht nur von der europäischen Notenbank Zinssenkungen und noch mehr günstige Kredite erwartet. Erstere wären ohnehin nur symbolischer Natur und weitere LTRO-Gelder wenig sinnvoll, wenn man bedenkt, dass bereits beim letzten Dreijahrestender Sicherheiten hinterlegt wurden, auf die ein so genannter Haircut von bis zu 75 Prozent in Ansatz gebracht wurde. Ganz zu schweigen davon, dass viele Kreditinstitute ihr Geld am liebsten eher heute als morgen zurückzahlen möchten und somit als LTRO-Nachfrager nicht infrage kämen. Am Ende wird EZB wieder Staatsanleihen kaufen müssen, weswegen man sich um weitere Auktionen von Staatsanleihen eigentlich kaum Sorgen machen muss.

Die Stimmung der deutschen Börsianern, die in der Vorwoche noch so gut gewesen war, hat sich derweil wieder verschlechtert, weil einige Optimisten schon wieder kalte Füße bekommen haben – weitere werden wohl folgen. Was dies für die Aktienkurse in den kommenden Tagen bedeuten könnte, habe ich unlängst in meinem jüngsten Clip zu WGZ Cognitrend TV kommentiert. Meine schriftliche Analyse zur jüngsten Sentiment-Erhebung der Börse Frankfurt finden Sie hier.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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