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Griechenland-Lethargie

am
9. Februar 2012

Die Spitzenpolitiker Griechenlands hätten, was das neue Sparprogramm angeht, keine Einigung erzielt. So oder ähnlich drückten dies heute früh einige Kommentatoren aus, natürlich ex negativo. Man könnte aber auch sagen, es sei beinahe ein Übereinkommen erzielt worden, denn die fehlenden 300 Millionen Euro an Einsparungen wirken etwa im Vergleich zum ganzen Hilfspaket zur Rettung Griechenlands fast schon verschwindend gering. Andersherum könnte man wiederum argumentieren, 300 Millionen Euro seien immerhin 10 Prozent des gesamten, bislang 3 Milliarden Euro schweren neuen Pakets an Sparmaßnahmen, über das die griechischen Parteien gestern bereits Einigung erzielten. Also doch schon wieder relativ viel.

Man kann sich vorstellen, wie müde viele Akteure an den Finanzmärkten angesichts dieses Relativierens mittlerweile geworden sind. Und man kann es ihnen auch nicht verdenken, dass sie das ganze Schauspiel, das nunmehr x-te Endspiel um Griechenland, das wieder einmal (hoffentlich) in der allerletzten Minute zum Positiven entschieden sein wird, wie eine Farce auffassen. Denn Griechenlands Wirtschaft wird angesichts der neuen Sparkeule weiter schrumpfen. Damit wird das nächste Spar-Diktat – sofern es überhaupt noch etwas zu sparen gibt – nicht allzu lange auf sich warten lassen.

Mit anderen Worten: Die Teilnehmer an den Finanzmärkten scheinen in der Causa Griechenland geradezu lethargisch geworden zu sein. Vielleicht auch aus der Erfahrung heraus, es sei in den vergangenen Monaten, selbst wenn es ganz düster aussah, immer noch irgendwie weitergegangen. Vielleicht ist dieser Glaube aber auch nur eine gefährliche Illusion. Gerade weil die meisten Marktteilnehmer davon ausgehen, selbst eine Zahlungsunfähigkeit Griechenlands sei bereits eingepreist, könnte man sogar von einer Kontrollillusion sprechen, deren Kennzeichen eigentlich die Euphorie und nicht die Lethargie ist.

Aber vielleicht ist Europa ja tatsächlich gerettet, vor allem, wenn sich die EZB auch noch an einem griechischen Schuldenschnitt beteiligen sollte. Zumindest ist der 29. Februar, der Tag des zweiten dreijährigen Tenders, nicht mehr allzu weit – die Volumens-Schätzungen gehen bis zu 1 Billion Euro, die sich die Banken bei der EZB auf diesem Wege besorgen könnten. Damit wäre de facto ein quantitatives Lockerungsprogramm auf den Weg gebracht, das den beiden ersten QE-Programmen der USA in nichts nachstehen würde. Zu diesem Thema habe ich mich auch im heutigen Interview beim Deutschen Anlegerfernsehen (DAF) geäußert, zu dem Andreas Scholz eingeladen hatte.

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1 Kommentar
  1. Antworten

    D. Schneidhahns

    12. Februar 2012

    Ein guter Artikel!
    Aus meiner Sich spielt die Griechenlandkrise an den Märkten inzwischen eine untergeordnete Rolle. Die Pleite ist seit Monaten eingepreist. Lediglich eine überraschende Wende zum positiven könnte die Kurse nach oben treiben. Ansonsten: business as usual…!

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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