Dollar am Sonntag Märkte

Um 10 Millionen Stellen verschätzt

am
7. Juni 2020

EUR USD (1,1285)             Zunächst einmal ist es sehr erfreulich, dass in den USA im Monat Mai rund 2,5 Millionen Stellen im Nicht-Agrarbereich (Nonfarm Payrolls) neu geschaffen wurden. Und das, nachdem im April 20,7 und im März, also während des ersten Monats der Corona-Pandemie, 1,4 Millionen Stellen verloren gegangen waren. Eine echte Überraschung also. Gerüchteweise soll tatsächlich der eine oder andere Stratege angesichts des überraschenden US-Arbeitsmarktberichts vom Stuhl gefallen sein. Denn eine derart große Abweichung von der Medianprognose der Analysten hat es noch nie gegeben.

Im Mittel waren die Ökonomen von 7,5 Mio. verloren gegangener Jobs ausgegangen, und selbst die hoffnungsvollste Vorhersage (vgl. Bloomberg) lag bei einem Rückgang von 800.000 Stellen. Auch die Arbeitslosenquote notierte am Ende „nur“ bei 13,3 Prozent, verglichen mit der Medianprognose von knapp 20 Prozent. Kurzum: So sehr lagen die von Bloomberg befragten Ökonomen noch nie daneben – am Freitag betrug diese Abweichung rund 10 Millionen Stellen.

 

Ungereimtheiten geben zu Spekulationen Anlass

Nun könnte man natürlich auf einige Ungereimtheiten hinweisen. Denn so unerwartet positiv wie der Arbeitsmarktbericht vom Mai aussieht, muss man zur Ehrenrettung der Ökonomen sagen, dass während desselben Monats immerhin über 12 Millionen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe gestellt wurden. Und die Arbeitslosenquote für den Monat Mai lag gemäß einer Fußnote des Bureau of Labor Statistics aufgrund eines Klassifizierungsfehlers in der Statistik eigentlich 3 Prozent höher[1]. Indes: Selbst eine Arbeitslosenquote von 16,3 Prozent wäre immer noch viel besser als von der Mehrheit der Ökonomen erwartet. Kein Wunder, dass mancherorts hinter vorgehaltener Hand gemunkelt wurde, US-Präsident Donald Trump habe den Arbeitsmarktbericht womöglich höchstpersönlich zu seinen Gunsten „beeinflusst“.

 

Euro-Serie unterbrochen

Die Reaktion der Finanzmärkte war simpel: Die Aktienmärkte dies- und jenseits des Atlantiks legten noch einmal kräftig zu, die Technologiebörse Nasdaq brillierte mit einem neuen Allzeithoch und die Renditen für US-Staatsanleihen zogen kräftig nach oben. Der Dollar konnte etwas zulegen und bescherte dem Euro wie bereits im Februar nach einer Serie täglicher Kursgewinne den ersten Verlust nach acht positiven Handelstagen.

Diese deutliche Aufwärtsbewegung an den Aktienmärkten hätte sich vielleicht auch ereignet, wenn die Arbeitsmarktdaten die Prognosen nicht in diesem Umfang, sondern nur geringfügig übertroffen hätten, während eine negative Überraschung beim Arbeitsmarktbericht vermutlich kaum für Irritationen bei den Händlern gesorgt hätte.

 

Trend mit Implikationen

Sollte sich die Tendenz zu positiveren Arbeitsmarktdaten im Juni fortsetzen, hätte dies womöglich weitreichendere Implikationen. Vor allem, wenn es zu keiner zweiten COVID-19-Welle kommen sollte. Denn es ist kaum anzunehmen, dass der von den Republikanern beherrschte US-Senat in diesem Fall so „Mir nichts, Dir nichts“ einem weiteren fiskalpolitischen, millionenschweren Rettungspaket zustimmen würde. Und auch die US-Notenbank, die sicherlich noch nicht auf einen einzelnen Arbeitsmarktbericht reagiert, würde dann ihre geldpolitische Strategie überdenken müssen. Wir erinnern uns: Vor nicht einmal einem Monat preisten die Fed Funds Futures-Märkte negative US-Leitzinsen für Anfang 2021 ein!

Wahrscheinlich werden einige Marktteilnehmer froh gewesen sein, am Freitag zu etwas günstigeren Kursen als dem Tageshoch von rund 1,1385 Euro erwerben zu können. Denn der kurzfristige Aufwärtstrend bleibt in seiner steilen Version zumindest oberhalb von nunmehr 1,1185/90 intakt.

 

Hinweis

Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.

 

[1] https://www.bls.gov/news.release/empsit.nr0.htm

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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