Neuer Free Lunch der SNB?
Seit einigen Tagen wird im Handel, aber auch in den Medien darüber spekuliert, ob die Schweizerische Nationalbank (SNB) wieder Fremdwährungen gegen Franken kauft, um dessen Aufwertung zu verhindern. Nun ist es nicht einmal drei Wochen her, dass die SNB, verbunden mit schweren Bewertungsverlusten ihrer Währungsreserven, die feste Untergrenze des Euro von 1,20 CHF aufgeben musste. Die Folge: Wer sich auf die Zentralbank verlassen oder sich gar auf ihre Seite geschlagen hatte, musste dies teuer bezahlen. Hatte bis dahin die Börsenweisheit gegolten, man solle sich mit seiner Position nie gegen die Zentralbank stellen, wurde plötzlich genau dieses Verhalten fürstlich belohnt.
Wenn nun die SNB tatsächlich – und die Indizien sprechen dafür – erneut und möglicherweise verdeckt interveniert haben sollte, ist das eine Sache. Zumal inoffizielle, also verdeckte Interventionen schon seit Jahrzehnten zum Arsenal der Wechselkurspolitik einer Zentralbank gehören. Im Gegensatz zur offenen Intervention, bei der die Zentralbank direkt mit den Kontrahenten handelt, tritt jene bei der verdeckten Intervention über eine dritte Adresse (die natürlich zum Stillschweigen verpflichtet ist) mit ihren Handelspartnern in Verbindung. Gerade das Beispiel der Bank von Japan und anderen Zentralbanken hat in früheren Zeiten immer wieder gezeigt, dass diese Art des Markteingriffs besonders beliebt ist, weil sie eine Notenbank weniger berechenbar macht.
Interventionsband mit fatalen Folgen
Umso mehr erstaunt es mich, dass schon wieder Gerüchte die Runde machen, die SNB hätte sich womöglich für eine Bandbreite zwischen 1,05 und 1,10 CHF entschieden, innerhalb derer sie mit Eurokäufen (bzw. Frankenverkäufen) stützenderweise zu operieren beabsichtige. Tatsächlich hat sich der Kurs während der vergangenen fünf Handelstage von der Parität wie von Geisterhand ziemlich exakt auf die Untergrenze dieser Zone hin bewegt. Mit anderen Worten: Der Euro hat in Folge von Käufen im Vergleich zum US-Dollar erheblich stärker, und zwar um satte fünf Prozent, zugelegt, getragen natürlich von der Hoffnung der Spekulanten, die SNB werde im Zweifel diese gekauften Euro eben zumindest mit 1,05 CHF ankaufen. Sollte sich dieses Gerücht bewahrheiten, würde die neue Strategie der SNB nicht nur einem neuerlichen free lunch für die betroffenen Devisenakteure gleichkommen. Vielmehr würde ein derartiges Verhalten die Währungsreserven der Zentralbank – und das zu einem möglicherweise unnötig künstlich hochgehaltenen Kurs – weiter aufblähen.
Bei allen anderen Finanzmarktteilnehmern würde man eine derartige Strategie als „verbilligen“ [des Einstandspreises] oder als „Hinzumischen“ zu einem bereits bestehenden (schal gewordenen) Engagement bezeichnen. Die Behavioral Finance spricht übrigens von einem so genannten Sunk Cost Effect, Finanzmarktstrategen liebevoll von einer „strategischen Position“.
Ich kenne übrigens keine einzige strategische Position, die jemals größere Gewinne gezeitigt hätte.
Sollte sich die Erwartung eines neuen Interventionsbandes bestätigen, fehlte eigentlich nur noch das Versprechen der SNB, notfalls erneut unbegrenzt ausländische Valuten aufzukaufen. Dabei ist das neue Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank, das angeblich die SNB dazu bewogen hatte, ihre Interventionsbereitschaft bei 1,20 CHF aufzugeben, noch nicht einmal in Gang gesetzt. Und sollte die SNB dann tatsächlich aus irgendwelchen Gründen ihr Versprechen nicht einhalten können, würde ein neuerlicher Kapitalfluss in Richtung des „sicheren Hafens“ Schweiz dafür sorgen, dass die Nationalbank weitere milliardenschwere Verluste bei ihren Währungsreserven zu verbuchen hätte.
Oder ist alles nur ein Bluff der Nationalbank, um weitere drohende Kapitalflüsse in die Schweiz abzuwehren? Die Akteure an den Finanzmärkten werden mit der Zeit auch das schonungslos testen. Und hoffentlich war dann alles nur ein Gerücht.