Dollar am Morgen Märkte

Grüße aus Davos: Untergang oder hemmungsloser Optimismus?

am
22. Januar 2020

EUR USD (1,1085)             Die Teilnehmer an den Finanzmärkten mussten sich gestern mit wenig ökonomischen Daten, aber dafür mit vielen anderen Nachrichten herumschlagen. Natürlich galt das Hauptinteresse dem Weltwirtschaftsforum in Davos, wo die Reden von US-Präsident Donald Trump und der Klimaaktivistin Greta Thunberg die Gemüter polarisiert haben dürften. Anders ausgedrückt: Donald Trump stand für einen ungebremsten Optimismus, während Greta Thunberg für einen Klima-Pessimismus stand, der sich hoffentlich als überzogen erweist. Genauso, wie man Donald Trumps selbstdienlichen Optimismus nicht folgen muss.

Marktbewegend war auf jeden Fall keiner der beiden Vorträge, wobei Trump mit seiner Absage an Unkenrufer und ihre Untergangsprognosen möglicherweise nicht nur die Warner vor dem Klimawandel gemeint haben könnte. Sondern auch diejenigen, die immer wieder, mitunter nahezu lustvoll den Untergang der Finanzmärkte, die viel zu lockere Geldpolitik der Notenbanken – für Trump indes, was die Fed betrifft, immer noch nicht locker genug – und insbesondere den großen Crash an den Aktienmärkten beschwören.

 

Investoren noch nicht bullish genug

Dass der Aktienmarkt vermutlich noch nicht reif für ein Crash ist, könnte man aus den Ergebnissen der gestern publizierten BofA Merrill Lynch-Umfrage unter internationalen Fondsmanagern herauslesen. Zwar gaben netto 32 Prozent der Befragten an, in Aktien übergewichtet zu sein. Aber auch wenn es sich seit August 2019 um die größte 180°-Wende zum Positiven seit 2011 handelt – damals waren netto 12 Prozent der Vermögensverwalter in Aktien untergewichtet –, reflektiert das gestrige Umfrageergebnis noch keine Euphorie. Interessant in diesem Zusammenhang: Bereits in der Dezember-Umfrage gaben 31 Prozent der Fondsmanager an, in globalen Aktien übergewichtet zu sein. Und diese Umfrage fand deutlich vor der Bekanntgabe einer Einigung im US-chinesischen Handelsstreit statt! Damit sieht es so aus, als ob dieser sogenannte „Phase-eins-Deal“ von den Befragten als „non event“ verbucht wurde.

In Anbetracht einer Kassequote, die nun den dritten Monat hintereinander bei 4,2 Prozent liegt, bezeichnete der BofA-Chefanlagestratege Michael Hartnett übrigens die Investoren als „bullish, aber nicht euphorisch“. Dafür wäre dem Vernehmen nach außerdem eine Übergewichtung von netto 50 Prozent und mehr, gemessen an früheren Bullenmärkten, erforderlich.

 

Kaufargument ZEW-Index?

Und so ist es auch kein Wunder, dass der gestern ebenfalls publizierte ZEW-Index für Deutschland wieder einmal besser ausfiel, als von den Ökonomen im Mittel prognostiziert worden war. Dies gilt insbesondere für die Erwartungskomponente, die meiner Erfahrung nach häufig die Anlegerstimmung im Aktienmarkt widerspiegelt. Diese wird übrigens heute von der Börse Frankfurt erhoben. Immerhin scheint der ZEW-Index von den Euro-Händlern gestern positiv aufgenommen worden zu sein, weswegen die Gemeinschaftswährung vorübergehend fast 1,1120 berührte, diese Gewinne aber zum Handelsschluss komplett wieder abgeben musste.

Einmal mehr hat sich gezeigt, dass sich der Euro an der Oberseite nicht signifikant weiterentwickeln kann und latent unter Druck bleibt. Und das gilt, wie bereits an den Tagen zuvor so lange, wie sich die Gemeinschaftswährung unterhalb von 1,1175/80 bewegt. Übrigens: Laut oben genannter Umfrage halten per Saldo 53 Prozent der befragten Fondsmanager den US-Dollar für überbewertet. Das ist der zweithöchste Wert seit dem Jahr 2002 und könnte sich für den Euro als Belastung herausstellen.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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