Märkte Politik

Einer gewinnt, viele verlieren

am
9. November 2016

senti_09112016Die USA haben gewählt und nicht nur dortzulande steht vielen Menschen der Schrecken ins Gesicht geschrieben, wenn sie das Ergebnis betrachten: Donald Trump. Mich hat das, offen gesagt (vgl. HIER), nicht überrascht. Selbst die Einstellung möglicher FBI-Ermittlungen gegen Hillary Clinton kurz vor dem Wahltermin hätte daran nichts geändert, denn auch zu Unrecht erhobene Beschuldigungen werden nie völlig aus der Welt geräumt. Und mich überrascht auch nicht, dass unter den Staatschefs Vladimir Putin einer der Ersten ist, die dem designierten US-Präsidenten gratuliert haben. Auch möchte ich nicht darüber spekulieren, ob dies der Beginn einer neuen wunderbaren Männerfreundschaft ist. Und auch über die Befürchtung, dass wir möglicherweise zurzeit global den Anfang vom Ende der Demokratie als Staatsform erleben, möchte ich momentan nicht nachdenken. Die US-Bürger haben sich jedenfalls entschieden.

Das Gros der Finanzmarktteilnehmer dürfte das Wahlergebnis jedenfalls überrascht haben. Aber man war – ganz im Gegensatz zu den Stunden nach dem Brexit-Votum – dieses Mal vielerorts mit einem ausgeklügelten Plan für den Fall der Fälle gerüstet. In Anlehnung an das Geschehen an den Aktienmärkten nach dem Volksentscheid in Großbritannien, die EU verlassen zu wollen, schien der Gang der jetzigen Ereignisse ganz klar vorgezeichnet. Der DAX würde 10 Prozent fallen, und dann müsste man beherzt zugreifen und Aktien kaufen, so die Strategie. Nun ist das Börsenbarometer in den ersten Stunden des heutigen Handelstages – und auch das überrascht mich nicht – keine 10 Prozent, auch nicht 5 Prozent gefallen, sondern hat sich nach einem nicht einmal 3-prozentigen Kursrutsch bereits wie Phönix aus der Asche wieder nach oben aufgeschwungen. So ist es eben mit den weitverbreiteten Wunschszenarien: Einige Akteure konnten es wieder einmal nicht abwarten und haben vorsichtshalber bereits früher als geplant gekauft.

 

US-Wahlen haben wenig mit Brexit-Votum gemein

Nun kann man das US-Wahlergebnis nur insofern mit dem Brexit-Votum vergleichen, dass es sich – gemessen an den Umfragen – um eine Überraschung handelt. Die (geld)politischen Implikationen aus beiden Abstimmungen sind dabei völlig unterschiedlich. Während die Bank von England als Folge des Brexit-Votums sowohl den Leitzins senkte, als auch zusätzliche quantitative Lockerungsmaßnahmen durchzog, ist die Geschichte in den USA eine andere. Möglich, dass die für Dezember erwartete Zinserhöhung der US-Notenbank aufgrund von den Finanzmarktteilnehmern wahrgenommenen ökonomischen Unsicherheiten infolge der Trump-Wahl verschoben wird. Aber letztlich ergibt sich im Gegensatz zu Großbritannien, wo sich die Börsen unter anderem auch in Erwartung von Zentralbankmaßnahmen nach dem Brexit-Votum deutlich befestigten, kein derartiger Impuls für den US-Aktienmarkt.

Betrachtet man hingegen die heutige Stimmungserhebung der Börse Frankfurt, die ich HIER kommentiert habe, zeigt sich vor allen Dingen bei den Privatanlegern ein überraschend hoher Optimismus (Jahreshoch). Ganz im Gegensatz zu den institutionellen Marktteilnehmern, die offenbar einen anderen Weg eingeschlagen haben.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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