Allgemein Märkte

Alle Jahre wieder

am
3. Mai 2017

Irgendwie werde ich den Eindruck nicht los, dass in diesem Jahr die normalerweise Ende April hundertfach zitierte Börsenregel: „Sell in May and go way, but remember to come back in September“ nicht so häufig wie sonst genannt wird. Dabei wäre es doch eigentlich sehr verlockend, angesichts des neuen Allzeithochs des DAX heute einfach einmal auf den Verkaufsknopf zu drücken.

Aber Leser meines Blogs wissen natürlich, dass ich von dieser tückischen Mai-Regel überhaupt nichts halte. Denn bis heute hat niemand mitgeteilt, ob man am besten am 2., am 3., am 4. oder am besten erst Mitte Mai verkauft[1]. Davon einmal abgesehen: Diese „wunderbare“ Empfehlung hat auch im vergangenen Jahr nicht wirklich funktioniert. Wer das Glück hatte, im Mai am höchsten Punkt beim DAX auszusteigen und am niedrigsten Stand des Index im September zurückzukaufen, konnte gerade einmal etwas mehr als 1,6 Prozent verdienen. Wer indes mit der Mai-Regel das allerschlechteste Timing erwischte, musste mitansehen, wie der Markt über 10 Prozent gegen ihn lief.

 

Noch nicht mal ein Kontra-Indikator

Im vorletzten Jahr hat die Regel dagegen gut funktioniert. Je nachdem, welchen Tag im Mai und im September man für Verkauf und Rückkauf gewählt hatte, durfte man zwischen knapp 6 und über 21 Prozent Gewinn einstreichen. 2014 war dann schon wieder schwieriger – man konnte bis zu 6 Prozent Gewinn, aber auch 5 Prozent Verlust erleben. Und vor vier Jahren war es noch schwieriger, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen. Bei bestem Timing hätte man immerhin 5 Prozent gewinnen können. Wer aber im Mai und im September zur falschen Zeit handelte, verbuchte einen Verlust von 11 Prozent. Anders ausgedrückt: Die „Sell in May“-Regel taugt nicht einmal als Kontraindikator.

In den USA, woher diese Regel ursprünglich stammt, sieht es nicht anders aus. Wie mir ein Kommentator schrieb, haben US-Aktien in den vergangenen acht Jahren (Anmerkung: dieser Zeitraum ist natürlich viel zu kurz, um statistisch valide zu sein) nur zweimal im Mai ein sogenanntes Top produziert. Tatsächlich sollen gemäß meiner Quelle in den vergangenen 26 Jahren 73 Prozent der Jahreshochs im S&P 500 jeweils erst nach August entstanden sein!

Ob die Börsianer hierzulande der Verheißung des Monats Mais erlegen sind, können Sie der heutigen Stimmungserhebung der Börse Frankfurt entnehmen, die ich dieses Mal HIER kommentiert habe.

Sollten Sie stattdessen das Video-Interview bevorzugen, das die Börse Frankfurt mit mir geführt hatte, folgen Sie bitte HIER.

 

[1] Falls Sie, liebe(r) Leser(in), das herausgefunden haben, dann geben Sie mir bitte zuerst (anderen Aktienliebhabern bitte erst hinterher) und diskret Bescheid, damit ich vor der Masse aktiv werden kann.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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