Märkte

Der unwiderstehliche Hang zum Einfachen

am
11. Dezember 2013

Eigentlich sollten wir uns nach mehr als 140 Handelstagen seit der Begriff des „tapering“ zum ersten Mal so richtig die Runde machte längst an denselben gewöhnt haben. Vielleicht haben wir es auch, aber die Diskussion darüber hält weiter an. Dabei sollte es eigentlich keinen großen Unterschied machen, wann die US-Notenbank tatsächlich damit beginnt, ihre Anleihekaufprogramme zurückzufahren. Denn die meisten Investoren können zum einen aus heutiger Sicht weder die Auswirkung eines bestimmten Tapering-Volumens auf den Markt, ausgedrückt in Milliarden Dollar, bemessen, noch dürfte es für die meisten kaum einen Unterschied machen, ob ein derartiger Schritt im Dezember, im Januar oder März des kommenden Jahres stattfinden wird. Denn bei der Bewertung zukünftiger Ereignisse tun sich die Menschen ohnehin schwer.  Deswegen orientiert man sich auch beim Tapering wie bei anderen ökonomischen Daten an einem leicht verfügbaren Referenzpunkt, also an einem „besser oder schlechter“ bzw. „einem früher oder später“ als dies (von der Mehrheit der Ökonomen) erwartet wird.

Was mich dennoch immer wieder umtreibt, ist die Einstellung vieler Marktteilnehmer und Kommentatoren, die Welt der Finanzmärkte anhand eben dieses binären Ereignisses – tapern ja oder nein – erklären oder gar prognostizieren zu wollen. Denn alles andere, selbst ökonomische Daten, spielt nun seit Wochen nur noch eine ganz untergeordnete Rolle. Obwohl doch jeder einigermaßen ausgebildete Finanzmarktteilnehmer genau weiß, dass sein Universum viel komplexer ist, mögen die meisten Menschen lieber einfach erklärbare Welten, am besten steuerbar mit einem Lichtschalter – aber bitte um Gottes willen nicht mit Dimmer.

Und wenn man Börsianer gar fragt, ob Ihnen lieber eine selbsttragende Erholung der US-Konjunktur, begleitet von einem Zurückfahren der Anleihekäufe der Notenbank oder eine allein durch quantitativen Lockerungsprogramme stimulierte Ökonomie lieber wäre, wird man von vielen Investoren eine fast schon pervers anmutende Antwort bekommen: Quantitative Lockerungsprogramme seien für steigende Aktienkurse nun einmal besser. Da weiß man zumindest, für wen solche Programme gut sind. 

 

Bitcoins zu billig gekauft?

Besonders pikant fand ich jedoch eine Geschichte, von der ich heute früh erfuhr. Da hat nämlich jemand offenbar während der heftigen Korrektur vom 7. Dezember zehn Bitcoins zu einem Preis etwas von weniger als 700 US-Dollar[1] pro virtuellem Geldstück erworben. Allerdings wurde vom Betreiber des Online-Bezahlsystems die Ausführung dieser Transaktionen mit dem Hinweis verweigert, es handele sich bei diesem Geschäft um eine „Hoch-Risiko-Transaktion“ weswegen man sich genötigt sähe, den Deal zu streichen. Natürlich bekäme der Kunde innerhalb der kommenden Tage seinen Einsatz wieder gutgeschrieben. (Jetzt gibt es bestimmt wieder schadenfreudige Kommentare, Spekulanten seien an ihrem Elend selber Schuld.)

Dies mag auch ein Grund sein weswegen ich mich heute lieber auf den DAX konzentriere, zumal wir eine neue Sentiment-Umfrage der Börse Frankfurt erhalten haben, die ich hier kommentierte. Mein Kollege Gianni Hirschmüller hat sich der Analysedetails (hier) angenommen.



[1] Tief am 7.12.: USD 560, heutiges Hoch: über 1.000 USD

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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