Märkte Wirtschaft

Zum Glück keine Fehler gemacht

am
18. Juli 2013

Wir können eigentlich froh sein, dass Ben Bernanke gestern keine Fehler gemacht hat. Entsprechend positiv und erleichtert haben die Kommentatoren auf seine Anhörung vor dem Finanzdienstleistungsausschuss des US-Repräsentantenhauses reagiert. Ja, man konnte sogar lesen, der Fed-Chef habe endlich klare Worte gefunden. Ich würde es anders ausdrücken: Er hat sich alle Optionen offen gelassen, denn der Satz „es gibt auf keinen Fall einen vorab feststehenden Kurs“ erinnert doch sehr an den früheren EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet, wonach dieser immer wieder betont hatte, die Zentralbank wolle sich nicht im Voraus festlegen. Eine Haltung, die man nicht gerade als transparent bezeichnen kann.

Und wenn Ben Bernanke dann auch noch fast gönnerhaft feststellt, die Märkte würden die Botschaft der Fed zu verstehen beginnen, mutet das auf den ersten Blick wie ein arrogantes Ratespiel an. Der Fed-Chef sagt etwas und die Akteure an den Finanzmärkten dürfen raten, was er gemeint hat. Implizit heißt das aber auch, die Finanzmärkte haben ihn in der Vergangenheit missverstanden. Will sagen: Sie haben sich nicht wie von ihm erwartet aufgeführt, sondern wie ein freches kleines Kind daneben benommen.

 

Es gibt keine freien Märkte mehr

Jetzt begreife ich es erst! Marktpreise dürfen sich nicht mehr frei als Resultat von Angebot und Nachfrage entwickeln, sondern letztlich von Bernankes Gnaden. Sind die Anleiherenditen zu hoch? – die Fed wird sich darum kümmern. Genauso, falls zu stark anziehende Hypothekenzinsen die positive Entwicklung am Häusermarkt abwürgen sollten. Der Aktienmarkt läuft nicht? Keine Sorge, es gibt ja die Fed!

Kein Wunder also, dass sich kurzfristig orientierte Händler gestern so gerierten, als ob sie auf jede Intonation, möglicherweise auf jede Geste, jedes Räuspern Bernankes schnellstens reagieren müssten. Aber Bernanke hat keine Fehler gemacht und so sind die Kursausschläge glücklicherweise im Rahmen geblieben.

Aber halten wir fest: Auch wenn Ben Bernanke gestern eher etwas taubenhafter für einige geklungen haben mag, hielt er doch an seiner zuletzt eingeschlagenen Strategie fest. Und so bleibt genau genommen alles beim Alten. In der Fed zerbricht man sich den Kopf darüber, ob man die quantitativen Lockerungsprogramme zurückfahren solle, weil in den USA Arbeitsplätze geschaffen werden, obgleich die Lage an der Beschäftigungsfront insgesamt unbefriedigend bleibt. Während vom Häusermarkt ermutigende Signale ausgehen, bleibt die Entwicklung bei den Konsumentenpreisen unter dem Inflationsziel. Die Konjunktur wächst, aber das Wachstum ist immer noch unter dem gewünschten Trend. Man kann also verstehen, warum die geldpolitischen Entscheider sich so uneins sind.

Da haben wir es in der Eurozone schon einfacher. Das Wachstum ist negativ, die Arbeitslosenquote auf Rekordhoch und die Inflationsrate unter Ziel. Obwohl alles doch viel klarer als in den USA scheint, ist man sich auch in der EZB offenbar über den nächsten Schritt uneins. Selbst das jüngere Versprechen von EZB-Präsident Mario Draghi, die Zinsen für längere Zeit niedrig zu halten, wurde umgehend von anderen Ratsmitgliedern konterkariert, die sich das Recht vorbehalten wollen, für den unwahrscheinlichen Fall der Fälle auch kurzfristig die Zinsen anheben zu können.

Und was glauben die Börsianer, wenn sich schon die Notenbanker derzeit alle Optionen offen halten? Eine Antwort darauf könnte die jüngste Stimmungserhebung der Börse Frankfurt geben, die ich hier kommentiert habe. Die Detailanalyse finden Sie hier.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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