Investmententscheidungen Märkte

Eine seltsame Auffassung von Hedging

am
6. März 2012

In einem Kommentar, den ich gestern Morgen las, wurde die Vermutung geäußert, dass japanische Exporteure angesichts des im vergangenen Monat stark gestiegenen US-Dollar gegenüber dem Yen versucht sein könnten, bereits getätigte Hedges ihrer in Fremdwährung fakturierten Exporterlöse (also Absicherungen in Form von Dollarverkäufen) wieder aufzulösen. Dies würde zwar unweigerlich einen Verlust bedeuten. Doch sei die Performance vieler Exportunternehmen infolge des Erdbebendesasters und der Katastrophe in Fukushima bereits so miserabel ausgefallen, dass weitere Einbußen ohnehin nicht mehr allzu schwer ins Gewicht fallen würden, so das Argument des Kommentators. Nach dem Motto: Stopfe so viele Verluste wie möglich ins alte Fiskaljahr, damit Du das neue mit einer weißen Weste beginnen kannst.

Daran stört mich nicht so sehr, dass mit der Auflösung dieser Hedges bereits abgeschlossene Devisen-Transaktionen noch einmal geöffnet würden. Absicherungen, bei denen aufgrund des starken Dollarverfalls im vergangenen Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit Verluste festgeschrieben werden musste.

Vielmehr habe ich mich gefragt, wie der Kommentator zu diesem Gedankengang gelangt sein mag. Zumal es psychologisch gesehen ohnehin nicht sehr wahrscheinlich ist, dass sich jemand einer Situation, in der er eine Entscheidung traf, die zu hohen Verlusten führte, noch einmal aussetzen möchte (Verlustaversion). Verbunden mit dem Risiko, diese neue Entscheidung womöglich später abermals bedauern zu müssen (Regret Aversion)

Es muss wohl am Begriff des „Hedging“ gelegen haben, dass unser Schreiber einen Gefallen an dieser seltsamen Idee gefunden hatte. Ja, ein so genannter Hedge mag wegen seiner Verwandtschaft zum Wort Hedgefonds irgendwie etwas mit Spekulation zu tun haben, könnte man auf den ersten Blick meinen. Dabei bedeutet Hedgen doch nichts anderes, als ein Risiko abzusichern. In diesem Falle meint dieser Begriff konkret, das Risiko eines auf Dollar lautenden Erlöses aus einem Exportgeschäft festzuschreiben. Interessanterweise ist also das Hedgen, das unverzügliche Absichern eines Handelsgeschäftes, sobald dessen Kalkulationskurs feststeht, eine erzkonservative Strategie. Weil man mit ihr künftige Kursrisiken, die nicht zum Grundgeschäft gehören, ausschließt. Auch wenn man sich dadurch möglicher Gewinnchancen beraubt.

Dagegen betreibt ein Unternehmer, der sich nicht gegen Kursrisiken absichert, tatsächlich Spekulation. Ihn treibt nämlich die Hoffnung an, seinen Exporterlös zu einem späteren Zeitpunkt zu besseren Konditionen verkaufen zu können. Gleichzeitig ist er bereit, das Risiko möglicher Verluste in Kauf zu nehmen.

Er hat damit im Grunde nichts anderes als eine offene Position.

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2 Kommentare
  1. Antworten

    Schmidt

    7. März 2012

    Sehr schöne Erläuterung von Hedging. Danke! Habe ich hier mit Verweis auf den Blog zitiert:
    http://www.kompetenznetz-mittelstand.de/hedge-fonds-die-boesen

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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