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Wie die Altersvorsorge noch unattraktiver wird

am
11. November 2011

Unlängst hat mein Mitstreiter Herman in einem Blog-Beitrag beschrieben, wie das so genannte Nudging („Anstupsen“) bei der  Altersvorsorge funktioniert. Dabei zeigte sich, dass man oft nur den Bezugsrahmen eines Sachverhalts verschieben muss, um Menschen in Richtung einer bestimmten Entscheidung zu beeinflussen.

Am Ende läuft es dennoch immer darauf hinaus, dass man in der Gegenwart ein Opfer zu Gunsten eines Gewinns in der Zukunft bringen muss, und genau das fällt vielen Menschen schwer. Obgleich einem der Verstand sagt, dass die staatliche Altersvorsorge allein nicht ausreicht, muss der Bauch erst überzeugt werden. Nicht nur weil ein Verlust bei den meisten Menschen mehr als doppelt so schwer wie ein Gewinn in gleicher Höhe wiegt, sondern weil generell Gewinne und Verluste, die in der Zukunft liegen, im Empfinden jedes Einzelnen stark abgewertet (diskontiert) werden. Hier kommt noch hinzu, dass die Folgen der Entscheidung, mehr Geld fürs Alter zurückzulegen, unmittelbar in der Gegenwart erfahren werden, während man sich die positiven Spätfolgen abstrakt vorstellen muss. Will sagen: Damit sich die heutigen Einbußen und der künftige Gewinn an Lebensqualität psychologisch die Waage halten, müsste die Rente um ein Mehrfaches höher sein als die monatlichen Belastungen, die durch die Einzahlungen ins Rentensystem entstehen.

In früheren Jahren, als die nominalen Renditen langfristiger Anleihen noch hoch waren, konnten von den Anbietern von Renten- und Kapitallebensversicherungen wegen des hohen Zinseszinseffektes attraktive Altersrenten prognostiziert werden. Das Ganze wurde meist auch schön übersichtlich präsentiert, damit sich der Kunde vorstellen konnte, wie sich ein Prozent Zinssteigerung oder ein Prozent Zinssenkung auf seine Rente auswirken würde. Mit nunmehr auch langfristig äußerst niedrigen Zinsen können solche Modellrechnungen selbst bei einem relativ günstigen Garantiezins der Lebensversicherer nicht mehr attraktiv aussehen. Am Ende wird der Sparer in seiner Wahrnehmung für die Altersversorgung vor dem Dilemma stehen, entweder Gefahr zu laufen, real einen Teil seines eingezahlten Kapitals zu verlieren oder höher rentierliche Anlagen zulasten eines höheren Risikos suchen zu müssen. Obgleich sich ceteris paribus an der Realverzinsung seines Investments gegenüber den früheren relativen Hochzinszeiten nichts geändert haben sollte[1]. Ansonsten steht einer nominal winzigen Verzinsung in der Zukunft ein Verzicht in der Gegenwart gegenüber, den die meisten Menschen auf sich zu nehmen nicht mehr gewillt sind.



[1]Viele Menschen dürften sich angesichts einer hohen und attraktiv aussehenden nominalen Verzinsung kaum die Mühe gemacht haben, die reale Rendite nachzurechnen.

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3 Kommentare
  1. Antworten

    Horst Schmidtke

    11. November 2011

    Hauptursache für die unzureichende Altersvorsorge vieler Mitmenschen ist nach meinen Beobachtungen eine gesellschaftliche Erfahrung der Menschen, die dazu führt heutigen Konsum dem späteren vorzuziehen. Der Staat verfährt heute nach dem Motto, wer nichts hat, dem wird gegeben und wer hat, dem wird genommen.

    So ist in meinem Bekanntenkreis heute schon zu beobachten, dass Leute mit gebrochenen Biografien mit jämmerlichen „staatlichen“ Renten abgespeist werden und parallel eine Aufstockung über die Sozialsysteme erfolgt. Diejenigen, die sich von dem wenigen Einkommen, das verfügbar war, noch eine Rentenversicherung abgespart haben, sind heute wie zu Ansparzeiten gekniffen. Deren „Privatrenten“ werden so angerechnet, dass die Aufstockungen des Sozialstaates 1:1 gegengerechnet werden. Also ist man letztlich, banal gesagt, der Dumme, wenn man angespart hat. Schließlich wäre das Leben ohne sparen leichter gewesen und heute ginge es einem genauso wie dem der alles verkonsumiert hat.

    Der Staat setzt falsche Anreize. Punkt.

    Also muss er sich nicht wundern, wenn immer mehr Leute geneigt sind, das System auszunutzen und auszuhöhlen, anstatt selbst die grundlegenden Risiken (Alter, Krankheit) weitestgehend abzufedern.

    Auch im Privaten werden Gewinne/Konsum privatisiert und Verluste/Kosten sozialisiert. Da die millionenfach geschieht, ist letztlich jeder ein Bankster oder Schmarotzer.

  2. Antworten

    Rene

    15. November 2011

    Das gesetzliche Rentenversicherungssystem in Deutschland ist so schlecht nicht, zumindest in Ansätzen. Man hätte aber vor 30 jahren schon reagieren müssen, denn die Probleme waren absehbar.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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