Aktienmärkte Dollar am Morgen

Die ausgebremste Revolution

am
5. Februar 2021

Es ist derzeit nicht ganz einfach, alles, was sich aktuell an den Finanzmärkten abspielt, unter einen Hut zu bekommen. Da haben wir auf der einen Seite haussierende Aktienmärkte dies- und jenseits des Atlantiks. Unter anderem mit der Begründung, dass das Reflations-Narrativ nach einer kurzen Winterpause nunmehr wieder zurück sei. Und es sieht für viele Akteure tatsächlich so aus, als ob die Phase ganz niedriger Inflationsraten, ausgedrückt in den Konsumentenpreisindices, bald verschwinden würde.

 

Reflations-Narrativ kommt zurück

Dieser Gedanke wird durch die Entwicklung der ökonomischen Daten in den USA unterstützt. Nicht nur weil der ISM-Preisindex des verarbeitenden Gewerbes in dieser Woche den neunten Monat hintereinander auf den höchsten Stand seit dem Jahr 2011 gestiegen ist. Auch am US-Arbeitsmarkt scheint sich die Lage zu verbessern, weil gestern etwa die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe in der Woche zum 29 Januar zum dritten Mal hintereinander, und stärker als dies die Ökonomen erwartet hatten, gefallen ist.

 

Anker im Kopf

Und für heute rechnet man vielerorts hinter vorgehaltener Hand mit einer dicken positiven Überraschung beim US-Arbeitsmarktbericht für den Monat Januar. Für die sogenannten Nonfarm-Payrolls geht man in der Konsensprognose von einem Zuwachs von +85 Tsd. neu geschaffenen Stellen aus, wobei das Prognoseband allerdings sehr weit gefasst ist. So war gestern in einer Extremschätzung ein Zuwachs der Stellen im Nichtagrarbereich von 800 Tsd. angenommen worden. Eine Outsider-Prognose, die sich dennoch als Anker in den Köpfen mancher Akteure festgesetzt haben dürfte. Mit der Folge, dass eine positive Überraschung an der Oberseite wohl bereits weitgehend eingepreist sein könnte.

 

Verpuffter Aufstand

Aber auch ein anderer Effekt wurde bei der Aktienmarktrallye mancherorts mit einer gewissen Schadenfreude, mindestens aber mit Erleichterung positiv konnotiert. Denn es sieht so aus, als ob der Aufstand der sogenannten „Reddit Crowd“ wohl doch nicht das US-Finanzsystem in Schutt und Asche legen wird. Zumindest was die Aktie von GameStop betrifft, ist deren Kurs gestern praktisch auf das Ausgangsniveau von rund 55 USD vor der Boomphase von vergangener Woche zurückgefallen. Offenbar ging es dann bei manchen Akteuren doch mehr darum, das eingesetzte Geld irgendwie zu retten, als sich einer Art französischer Revolution im Aktienmarkt anzuschließen.

 

Dollar-Stärke gibt Rätsel auf

Was gestern allerdings nicht ins Bild passte, war die Entwicklung des US-Dollar, der weiterhin sehr gut nachgefragt war. Dort scheint man nicht an das Reflations-Narrativ zu glauben, obwohl in den USA – so die Geschichte am US-Aktienmarkt – Geld- und Fiskalpolitik an einem Strang ziehen. Auch wenn die Positionen bei den Gesprächen zum US-Konjunkturpaket noch weit auseinanderliegen, glaubt man, dass zumindest irgendein Paket am Ende zum Tragen kommen wird. Und wenn es die Demokraten allein durchpeitschen müssen. Allerdings wird dieses Paket mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht die Größenordnung von 1,9 Billionen USD erreichen. Doch bin ich keineswegs der Meinung, dass der Greenback gestern deswegen den vierten Handelstag hintereinander mit einem Gewinn beschloss.

Auch hinsichtlich des damit einhergehenden Euro-Kursrückgangs scheinen sich einige Analysten schwer zu tun, sofern sie nicht technisch orientiert sind. Man darf nicht vergessen: Es ist nicht allzu lange her – und auch an dieser Einschätzung hat sich bei manchen Strategen noch nicht viel geändert –, dass man vielerorts von einem Euro-Anstieg auf 1,25 ausging. Die dahinter stehenden Positionierungen sind auch gestern unter Druck geraten, so dass die mittelfristige Perspektive für den Euro bestenfalls seitwärts gerichtet ist. Kurzfristig bleibt die Gemeinschaftswährung allerdings unter Druck, wobei wir in Richtung 1,1850 schielen. Das Ganze allerdings nur unter der Prämisse, dass nun 1,2095 nicht mehr überschritten wird.

 

Hinweis

Die genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.

 

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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