Dollar am Morgen Märkte

Wenn das Virus näherkommt

am
27. Januar 2020

EUR USD (1,1025)             Spätestens am vergangenen Freitag konnte man sagen, dass der Ausbruch des Corona-Virus in den Finanzmärkten angekommen ist. Vor allen Dingen in den US-Aktienmärkten. Und es liest sich recht dramatisch, wenn Kommentatoren von der schlechtesten Woche für den breit gestreuten S&P 500-Index seit August vergangenen Jahres sprechen. Tatsächlich beträgt der Wochenverlust des Index gerade einmal rund 0,8 Prozent. Wobei die Handelsaktivität vom vergangenen Freitag etwas verschleiert wird, als der Index anfangs fast noch versuchte, ein neues Allzeithoch zu markieren, um dann den Gewinn von fünf Handelstagen zunichte zu machen.

 

Verfügbarkeitsirrtum

Viel interessanter ist allerdings die Tatsache, dass die europäischen Aktienmärkte, obwohl der Ausbruch des Corona-Virus längst bekannt war, den Freitag sogar mit einem Tagesgewinn beschlossen. Und beim hiesigen DAX spekulierten Kommentatoren, dass sogar das bisherige Allzeithoch womöglich in dieser Woche überwunden werden könnte.

Diese bullishen Träume dürften sich spätestens mit der Markteröffnung am heutigen Montag vorerst zerschlagen haben, denn am Samstag wurde ja bekannt, dass es jetzt auch in Europa an dem Corona-Virus erkrankte Personen gibt. Und alles, was an Gefahren geografisch näher rückt, wird zunächst mit wachsender Intensität wahrgenommen. Die Handelssitzung am vergangenen Freitag in Europa war ein klassisches Beispiel für den sogenannten Verfügbarkeitsirrtum. Obwohl in China Millionen von Menschen praktisch unter Quarantäne gestellt worden waren, beruhigten sich viele hierzulande mit dem Gedanken: „Das ist ja noch weit weg, und die chinesischen Behörden werden das sicher schnell in den Griff bekommen.“ Kurzum: Informationen, die auffällig, zeit- und ortsnah sind, werden stärker wahrgenommen als Nachrichten, die über Ereignisse berichten, die kompliziert, unspektakulär und in der Ferne stattfinden.

 

Auf der Suche nach dem günstigen Einstieg

Nun hat man allerdings zum vergangenen Wochenende nicht den Eindruck bekommen können, dass sich an den Aktienmärkten eine Panik breitgemacht hätte. Vielmehr ist es bemerkenswert, wie Kommentatoren und Analysten sogleich in den Annalen blätterten, um herauszufinden, wie lange die negative Wirkung ähnlicher Bedrohungsszenarien wie das durch das Corona-Virus hervorgerufene früher angedauert hat. Tatsächlich war die negative Preisentwicklung an den Aktienmärkten nach Bekanntwerden von SARS, H1N1, Ebola etc. kurzlebig. Man spricht von zwei bis drei Wochen, nachdem die Mainstream-Medien erstmals darüber berichten. Tatsächlich gewinne ich den Eindruck, dass viele Marktteilnehmer gar nicht einmal Angst vor einer – es mag angesichts der Neuigkeiten etwas makaber klingen – „gesunden Korrektur“ haben, die doch schon längst „überfällig“ gewesen ist. Die größere Angst scheint immer noch zu sein, den Boden dieser Korrektur zu verpassen, um noch relativ günstig in den Bullenmarkt einsteigen zu können.

 

US-Bondrenditen seit Jahresbeginn auf Rückzug

Interessanter scheint mir allerdings die Entwicklung am US-Bondmarkt zu sein, wo etwa der Rückgang der Rendite zehnjähriger Treasuries schon seit einigen Tagen zu denken gibt. Abgesehen vom vergangenen Montag zeichnete sich nämlich eine Abwärtsentwicklung ab, die am Freitag mit 1,68 Prozent das niedrigste Niveau seit Anfang November des vergangenen Jahres markierte. Eine Entwicklung, die man nicht nur den Ängsten vor einer Pandemie zuschreiben kann. Weil der Renditerückgang – abgesehen von einem kurzzeitigen, heftigen Aufbäumen – seit Jahresbeginn über 20 Basispunkte ausmacht. Trotz weithin unverändert positiver Wachstumserwartungen für die kommenden Monate.

Diese werden auch durch die vorläufigen Einkaufsmanager-Indices (Markit) bestätigt, die in den USA in der aus Industrie und Dienstleistern zusammengesetzten Version (53,1) leicht positiv überraschten. Weil man Derartiges allerdings nicht für die Eurozone sagen konnte, schwächte sich die Gemeinschaftswährung bereits Freitagvormittag weiter ab und schloss mit 1,1025 praktisch auf dem niedrigsten Kurs der Woche und gleichzeitig auf dem tiefsten Niveau seit dem 29. November. Wie bereits an den Tagen zuvor dürfte sich die latente Euro-Schwäche verstärken, falls 1,0980 fallen sollte. Der Stabilitätspunkt liegt nun bei 1,1135.

 

 

Hinweis

Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.

 

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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