Dollar am Morgen Märkte

Ist der Euro viel zu billig?

am
12. Juni 2019

EUR USD (1,1330)             Während es gestern beim Euro-Handel ausgesprochen ruhig blieb, setzten die Aktienmärkte dies- und jenseits des Atlantiks ihre zu Beginn der vergangenen Woche begonnene Rallye zunächst fort. Die (angeblichen) Gründe: Hoffnungsvolle Aussichten auf ein baldiges Ende der Handelskonflikte, Risikofreude und die Erwartung von Zinssenkungen der US-Notenbank. Dabei gibt es für eine bevorstehende Einigung im Handelskonflikt der USA mit China wenig Grund zu Optimismus. Und der von Donald Trump als Erfolg gefeierte Kompromiss im möglicherweise nicht einmal nachhaltig beigelegten Streit mit Mexiko kann bestenfalls nachträglich als Begründung für die seit mehr als einer Woche steigenden Aktienkurse herhalten.

Auch fällt es schwer, an eine Serie von Zinssenkungen zu glauben, wenn sich der breit gestreute S&P 500-Index für US-Aktien demnächst an seinem Allzeithoch befinden sollte, von dem er gestern kurzzeitig nur noch 1,5 Prozent entfernt war. Und das, nachdem man noch zwei Wochen zuvor vielerorts von einem massiven Einbruch der Aktienmärkte weltweit ausgegangen war. Rezessionsängste, ein eskalierender Handelskrieg und massive technische Verkaufssignale sorgten für eine sich selbst erfüllende Prophezeiung, die sich für die Pessimisten später als eine Self-fulfilling destruction (mehr zu diesem Begriff HIER) erweisen sollte. Viele Akteure mussten schleunigst umschalten und ihre Short-Engagements teils mit Verlust wieder eindecken. Obwohl sich die ökonomischen Rahmenbedingungen während der ganzen Zeit nicht wesentlich geändert hatten.

 

Vom Handels- zum Währungskrieg?

Sind die Währungshändler damit cooler als ihre Kollegen an den Aktienmärkten geblieben? Tatsächlich hat sich der Dollar gegenüber einem Korb von Währungen, gemessen am Dollar-Index, seit Beginn des Monats gerade einmal um 0,8 Prozent abgeschwächt, während der S&P 500 während der gleichen Zeit in der Spitze – von seinem Tiefpunkt aus gemessen – zeitweise um mehr als 6,5 Prozent zulegen konnte. US-Präsident Donald Trump deutete gestern in einem seiner Tweets unmissverständlich auf den Schuldigen: der Euro. Dieser sei gegenüber dem Dollar unterbewertet und das bringe einen großen Nachteil für die USA, wetterte der US-Präsident wieder einmal.

Und wie zum Beweis führten Kommentatoren gestern das unter Ökonomen beliebte Kaufkraftmodell der OECD an, wonach der Euro 22 Prozent unterbewertet ist. Und selbst gegenüber dem nicht-veganen Big-Mac-Index ist die Gemeinschaftswährung 15 Prozent zu billig. Nun hat sich der Kurs des Euro (vor dessen Einführung die D-Mark) gegenüber dem Dollar nur selten diesem theoretischen Diktum gebeugt und sich über Jahrzehnte hinweg teils stark über- oder unterbewertet präsentiert. Tatsächlich ist es fast fünf Jahre her, dass der Euro, gemessen am Kaufkraftmodell der OECD, fair bewertet war.

Dass es Donald Trump mit der Unterbewertung des Euro ausgesprochen ernst ist, zeigt ein Medienbericht vom vergangenen Freitag, wonach das US-Handelsministerium ungenannten Quellen zufolge zurzeit einen (allerdings noch unausgegorenen) Vorschlag ausarbeitet, der den bestehenden Handelskrieg noch einmal verschärfen würde. Danach hätten Staaten, die nach Ansicht der USA ihre Währungen zu stark abgewertet hätten, mit Strafzöllen zu rechnen.

Auch wenn wir uns bei unseren Analysen nicht auf Kaufkraftmodelle stützen, spricht derzeit kurzfristig einiges für eine weitere Befestigung des Euro. Dieser bleibt jedenfalls stabil, solange an der Unterseite 1,1210/15 nicht unterlaufen wird, und hat überdies die Chance, 1,1450/55 zu testen.

 

Hinweis

Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 10 Stellen.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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