Marketing Märkte

Geviertelte Freude ist vierfache Freude

am
2. Juni 2014

Gerade schickt sich der DAX an, mit Mühen die 10.000er Marke zu erklimmen, aber da keine rechte Freude aufzukommen scheint, macht man sich natürlich Sorgen um den deutschen Anleger. Rechtzeitig zum seit Tagen geplanten medialen Jubelfest hat „Welt online“ deswegen eine Studie von Jens Kleine, Professor an der Steinbeis-Hochschule Berlin, veröffentlicht. Ja, wenn nach Recherchen von Ernst & Young 58 Prozent der DAX-Aktien sich in den Händen ausländischer Investoren befinden und nur 34 Prozent der Deutschen so wenig DAX-Werte wie noch nie zuvor besitzen, dann ist es tatsächlich schlecht bestellt um die heimische Börsenkultur.

Und so sind neue, bahnbrechende Ideen gefragt – eine Herausforderung, die selbst Akademiker nicht einfach arrogant übergehen können. Ein Vorschlag hat selbst mich altes Börsenzirkuspferd neugierig auf Aktien gemacht. Nicht weil ich glaube, dass Aktionäre in Zukunft eine höhere Rendite erwarten könnten, sondern weil mir dieser Einfall aus Sicht der Behavioral Finance beachtenswert erscheint. Denn die Besitzer deutscher Aktien sollen endlich nicht mehr nur einmal im Jahr nach der Hauptversammlung ihre Dividende erhalten, sondern – wie es bereits bei US-Firmen und auch japanischen Unternehmen praktiziert wird – Dividenden parallel zum Quartalsbericht vierteljährlich ausbezahlt bekommen.

 

Quartalsweise mentale Konten

So mag sich der Professor gefragt haben, ob sich denn die Zahl derer, die bisher noch keine Aktien besitzen, im Falle einer quartalsweisen Dividendenzahlung eher für ein Engagement gewinnen lassen würden. Kenner der Behavioral Finance würden diese Frage intuitiv sofort bejahen. Weil wir Menschen für alle unsere Entscheidungen und Zahlungen mentale Konten im Kopf führen. Danach würde für jede Dividendenzahlung ein gesondertes geistiges Konto eröffnet und als Gewinn wahrgenommen, weswegen ein viermal im Jahr geviertelter (oder sogar jeweils etwas geringerer Betrag) einer einmaligen jährlichen Zahlung vorgezogen würde. Denn die Bewertung dieser vier Einzelgewinne (=Segregation) fällt in der Summe bei den meisten Menschen höher aus als die Bewertung einer jährlichen Einmalzahlung[1].

Auch wenn es verwunderlich erscheinen mag: Die Studie von Jens Kleine hat die Theorie der Mentalen Konten bestätigt: 22 Prozent von repräsentativ befragten 2000 Bürgern, die bisher noch keine Aktien besitzen, würden bei einer quartalsweisen Ausschüttung Aktien kaufen. Und 32 Prozent derer, die bereits Geld in Aktien angelegt haben, würden bei dieser Art der Auszahlung zusätzliches Geld in Dividendentitel investieren!

Schenkt man dem Bericht auf „Welt online“ Glauben, hat der Forscher herausgefunden, dass Quartalsdividenden die Zahl der Aktionäre in Deutschland um bis zu 3,5 Millionen, im ungünstigsten Fall immerhin noch um 500.000 erhöhen könnten. Abgehen von diversen rechtlichen Klippen, die man für die Quartalsdividende hierzulande noch umschiffen müsste, nenne ich die Diskussion darum gutes timing. Kommt die Aktien-Kultur ausgerechnet oberhalb von 10.000 DAX-Zählern also doch noch zurück?

 

[1] Mehr dazu im Buch Genial einfach Entscheiden, S. 166 ff., das Christin Stock mit mir zusammen im vergangenen Jahr im Finanzbuchverlag veröffentlicht hat.

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4 Kommentare
  1. Antworten

    Finanzwesir

    3. Juni 2014

    Hallo Herr Goldberg,
    da ist was dran. Ich freue mich auch, wenn meine Fonds quartalsweise ausschütten. Lieber vier mal pro Jahr in Excel eine kleine Summe eintragen, als einmal einen dicken Brocken.
    So blöd das auch klingt: Das macht einfach mehr Spaß.

  2. Antworten

    Der Privatier

    5. Juni 2014

    Hallo Hr. Goldberg,

    zunächst einmal möchte ich Ihnen sagen, dass ich vor vielen Jahren Ihr Buch über ”Behavioral Finance” mit Begeisterung gelesen habe und vieles davon in meinem eigenen Verhalten und Denken wieder erkannt habe.

    Wenn ich mich recht erinnere (ist ja schon ein paar Jahre her) ging es dabei oft um die Beschreibung von eigentlich unlogischem/irrationalem Verhalten, welches eben aus einem Gefühl heraus unter falscher Einschätzung von Risiken und Chancen oft beobachtet werden kann.

    Wenn ich mir aber das Beispiel der Quartals-Dividende aus dem obigen Beitrag ansehe, so halte ich die Bevorzugung gegenüber einer jährlichen Einmalzahlung keinesfalls für eine Falscheinschätzung. Ich denke, die Beliebtheit der Quartalsdividende ist nicht zu vergleichen mit dem Verhalten eines Kleinkindes, welches lieber drei 50-Cent-Stücke geschenkt bekommt, als ein 2-Euro-Stück.

    Die vier mal im Jahr gezahlte Dividende bietet aus meiner Sicht schon einige deutliche Vorteile:
    Zum einen können die gezahlten Teilbeträge sofort weiter verwendet werden (Liquidität), zum anderen bieten sie eine größere Sicherheit, denn die nach einem Jahr zu erwartende Dividende ist ja keinesfalls sicher. Und letztlich gewinnt man mehr Flexibilität, dadurch dass man nicht bis zur jährlichen Hauptversammlung seine Aktien halten muss, um am Gewinn der AG teilzuhaben. Ich sehr hier nur Vorteile, und denke auch, dass dies rationale Gründe sind.

    Oder liege ich damit falsch und bin evtl. einem unbemerktem „behavioral“ Irrtum aufgesessen?

    Schöne Grüße, Der-Privatier

    • Antworten

      Joachim Goldberg

      5. Juni 2014

      Lieber Privatier,

      vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort, über die ich mich sehr gefreut habe. Noch mehr habe ich mich natürlich gefreut, dass Ihnen mein Buch „Behavioral Finance“ immer noch in guter Erinnerung geblieben ist ;-). Auf den ersten Blick könnte man natürlich tatsächlich den Eindruck bekommen, dass es in der Behavioral Finance darum geht, unlogisches und irrationales Verhalten der Menschen aufzudecken. Ich verstehe indes die Behavioral Finance als einen Versuch, gute ökonomische menschliche Entscheidungen zu verbessern bzw. den Blickwinkel menschlichen Entscheidens zu erweitern. Und das kann durchaus wertfrei und auf jeden Fall ohne den berühmten erhobenen Zeigefinger geschehen.

      Genauso wertfrei habe ich auch meinen Beitrag über die quartalsweisen mentalen Konten verstanden, bei dem es mir nicht darum ging, ob denn nun vier vierteljährliche gegenüber einer einmaligen jährlichen Dividendenzahlungen vorzuziehen sei. Sondern weshalb bei einer häufigeren Auszahlung von Teildividenden immerhin 22 Prozent repräsentativ befragter Bürger, die bislang keine Aktien besitzen, mit einem Male Aktien zu kaufen bereit sind. Zunächst führt die in der Summe höhere Bewertung von vier Einzelgewinnen beim Anleger aus Sicht der Idee der mentalen Konten nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen zu einem erhöhten Wohlgefühl im Vergleich zu einer Einmalzahlung (vgl. hierzu auch Richard H. Thaler Mental Accounting Matters, Journal of Behavioral Decision Making 12 1999, pp. 183-206).

      Und sein Wohlbefinden zu erhöhen, ist ja zunächst nichts Irrationales. Interessant wird es natürlich – und darauf bin ich bewusst in diesem Blogbeitrag nicht eingegangen – wenn man bereit ist, aufgrund dieses gesteigerten Wohlbefindens – oft ohne es zu wissen – ökonomische Vorteile aufzugeben oder, bezogen auf den Aktienmarkt, bereit wäre, hohe Verluste nur deswegen laufen zu lassen, weil man den Termin der Dividendenzahlung abwarten möchte.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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