Märkte

Wenig Grund für „Prosit Neujahr!“

am
7. Januar 2015

Die Weihnachtspause hat nur wenig dazu beigetragen, die Nervosität der Investoren zu beruhigen. Tatsächlich hat das neue Jahr dort begonnen, wo das alte geendet hat. Globale Wachstums- und Deflationssorgen treiben vor allem hierzulande die Anleger um. Und gerade deshalb erwartet man von der EZB ein klares, schnelles Signal. Vielleicht hat mancher Akteur ein Gänseblümchen in den Winter herübergerettet, an dessen Blütenblättern er jetzt wie ein verunsicherter Liebhaber zupft: „Wird sie – oder wird sie nicht [Staatsanleihen kaufen]“, und wenn ja, wann und wie viele?

Nicht minder wichtig ist die Diskussion um den Ölpreis, dem von vielen Kommentatoren Wunderkräfte für die hiesige Konjunktur zugeschrieben werden. Ja, selbst auf globale Sicht wird von vielen Ökonomen dem Sturz der Rohölpreise mehr Positives als Negatives abgewonnen. Allerdings dürften sich etwaige Vorteile, die sich aus sinkenden Benzin- und Mineralölpreisen ergeben können, erst mit zum Teil größerer Verzögerung auswirken. Denn günstigere Benzinpreise wirken sich nur in der Größenordnung einer Tankfüllung direkt auf den Geldbeutel des Verbrauchers aus. Mit anderen Worten: Den Vorteil sinkender Preise eines Guts bekommt man erst zu spüren, wenn man dieses nachkaufen muss.

Andererseits wird gerne übersehen, dass sich die schwächere Nachfrage nach Rohöl, derentwegen die Notierungen so massiv gefallen sind, bereits negativ bei den Rohölproduzenten bemerkbar gemacht hat, die wegen des massiven Preisverfalls gar nicht mehr hinterherkommen, ihre Budgets nach unten zu korrigieren. Ungünstig sind sinkende Ölpreise natürlich auch für diejenigen, die sich als Käufer im fallenden Markt zu früh engagiert und möglicherweise auf lange Sicht Terminkäufe zu viel zu hohen Preisen vorgenommen haben. Ganz zu schweigen von den EZB-Statistikern, deren Preisprognosen bereits zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung Makulatur waren. Nein, die EZB ist wirklich nicht zu beneiden, wenn sie sich demnächst entscheiden muss, ob sie [endlich] ihr QE-Programm in Form von Staatsanleihekäufen – und das zu bereits sehr hohen Kursen – beginnen möchte.

So gesehen scheint sich bereits jetzt zumindest eine der Prognosen für 2015 zu bewahrheiten: Wir werden deutlich mehr Volatilität an den Aktienmärkten als im vergangenen Jahr bekommen. Wie die institutionellen und privaten Anleger damit umgehen, können Sie der jüngsten Stimmungsumfrage der Börse Frankfurt entnehmen, die ich HIER kommentiert habe.

 

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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