Märkte

Eine 180-Grad-Wende

am
15. März 2012

Wenn man Anfang des Jahres Marktteilnehmer befragt hätte, ob sie für dieses Jahr einen DAX-Stand von mehr als 7.000 Zählern sehen würden, hätte es durchaus einige Akteure gegeben, die dieser Vision zugestimmt hätten. Wer jedoch zu jener Zeit geäußert hätte, er könne sich vorstellen, wie der DAX bereits im ersten Quartal dieses Jahres in diese Sphären vorstoßen könnte, wäre vermutlich als hoffnungsloser Optimist verlacht worden. Vielleicht standen aber auch zu viele Marktteilnehmer vor drei Monaten noch unter dem Eindruck des zweiten Halbjahres 2011 und des während dieser Zeit deutlich gefallen Aktienmarktes, begleitet von großer Unsicherheit, schlechten Wachstumsaussichten, Wahlen, Deadlines für Griechenland et cetera.

Nun ist alles doch ein bisschen anders gekommen als das viele in ihren pessimistischen Träumen befürchtet hatten. Etwa, weil man die Effektivität der Liquiditätsmaßnahmen der EZB, namentlich LTRO1 und LTRO2, vielleicht unterschätzt hatte. Ungeachtet aller langfristigen Nebenwirkungen. Aber auch kurzfristig soll dies  natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich in der Eurozone der Abstand zwischen den Kernländern und den Staaten an der Peripherie weiter vergrößert hat. Alleine, wenn man bedenkt, dass Deutschland die niedrigste Arbeitslosenquote seit Bestehen der Eurozone aufweist, während andere Länder genau mit dem Gegenteil, mit Rekordarbeitslosigkeit, zu kämpfen haben. Dabei dürften die dreijährigen Liquiditätsmaßnahmen der EZB sogar zu einer Vergrößerung dieses Abstandes beigetragen haben. Denn wenn man sich die Daten der kreditaufnehmenden Teilnehmer am LTRO-Programm und denjenigen Kreditinstituten betrachtet, die gleichzeitig im großen Stil Liquidität auf Konten der EZB halten, wird eines deutlich: Die Kreditnehmer kamen hauptsächlich aus Italien und Spanien, während die Anleger in erster Linie von finnischen, luxemburgischen und deutschen Adressen gestellt wurden. Anders ausgedrückt: das LTRO-Programm der EZB hat gewissermaßen für einen Ausgleich einer Kapitalflucht von Süd- nach Nordeuropa gesorgt.

Aber auch in den USA, wo man sich monatelang große Sorgen gemacht hatte, schlägt sich die Wirtschaft besser als erwartet. Die Daten sind sogar so robust gewesen, dass die meisten Investoren mittlerweile (sprich: innerhalb einer Woche) glauben, die Fed werde kein weiteres quantitatives Lockerungsprogramm auflegen.

Immerhin haben die Anleger, die die Börse Frankfurt allwöchentlich nach der Stimmung befragt, zum jüngsten Aufschwung des DAX selbst beigetragen, so dass der Optimismus innerhalb von drei Wochen von seinem rekordverdächtigen Tief nunmehr auf das höchste Niveau des Jahres gestiegen ist.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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