Dollar am Morgen Märkte

Den zweiten Schritt nicht vor dem ersten machen

am
17. Januar 2020

EUR USD (1,1130)             Eigentlich wollte ich mich nicht mehr ausführlich mit dem gestern unterzeichneten sogenannten „Phase-eins-Deal“ befassen, der am Mittwoch von den USA und China unterzeichnet wurde. Aber es bleibt bei allem Hype um diesen Teilabschluss eine Erkenntnis: Das Ergebnis der Verhandlungen ist eigentlich ernüchternd. Und so wundert es auch nicht, dass Kommentatoren vielerorts im Prinzip von einem Abkommen ohne wirklichen Wert, das bestenfalls als Waffenstillstand im Handelskonflikt zwischen den USA und China gelten könne, sprechen. Ein Waffenstillstand, von dem nicht einmal sicher ist, ob er halten wird.

Interessant in diesem Zusammenhang sind übrigens Medienberichte aus China, die den Verhandlungsführer der chinesischen Delegation, Vizepremier Liu He, zitieren, der davor warnte, dass man am Ende mit leeren Händen dastehen könne, falls man einen zweiten Job [die Verhandlungen zum sogenannten „Phase-zwei-Deal“] beginne, bevor der erste Job ordentlich abgeschlossen sei. Mit anderen Worten: Diese Äußerung ist als indirekte Absage an die Trump-Administration zu verstehen, dass die Gespräche zum „Phase-zwei-Abkommen“ bald beginnen könnten.

 

US-Aktienmärkte haussieren weiter

Dennoch haben sich bislang einige Prognosen nicht bewahrheitet, die im Vorfeld der Schlussverhandlungen zum „Phase-eins-Deal“ häufiger zu hören waren. Die wohl beliebteste Vorhersage war wohl, dass die Aktienmärkte vor allen Dingen in den USA bei der geringsten Enttäuschung in Sachen Handelsdeal oder auch bei einem Ausgang der Verhandlungen ohne Überraschungen zunächst einmal deutlich korrigieren würden. Doch bislang ist es nicht zu einer „buy the rumour, sell-the-fact“-Korrektur gekommen. Stattdessen bewegten sich die US-Aktienmärkte in bislang „unerforschtem Terrain“ weiter in Richtung Norden auf Rekordniveau. Wahrscheinlich auch, weil viele Marktteilnehmer nicht auf einen direkten weiteren Anstieg der Aktienkurse vorbereitet waren, sondern eben auf eine Korrektur setzten. Dies zeigt sich auch an der Sentiment-Entwicklung der AAII (American Association of Individual Investors), bei der der Optimismus per 15.1. gegenüber der Vorwoche deutlich, aber nicht überstark angezogen hat. Per Saldo mussten nicht wenige Investoren also dem Markt hinterherrennen.

 

Euro schafft die Hürde nicht

Die zweite Prognose, die sich bislang nicht bewahrheitet hat, betrifft den Euro. Denn es gab doch Stimmen zu hören, die der Gemeinschaftswährung eine positive Entwicklung nachsagten, sobald das US-chinesische Teilabkommen nur unterzeichnet sei. Offensichtlich haben sich die Händler allerdings nach einer längeren Phase der Entsagung gestern wieder Fundamentaldaten zugewendet. Und glücklicherweise gab es auch wichtige Daten aus den USA, die dem US-Verbraucher nach wie vor Konsumfreude bescheinigten. Denn die Einzelhandelsumsätze stiegen im Dezember mit einem Plus von 0,3 Prozent gegenüber dem Vormonat zwar nur in dem erwarteten Umfang an. Aber rechnet man die Kraftfahrzeuge aus der Zahl heraus, ergibt sich ein Plus von 0,7 Prozent, und das ist ein deutlich besseres Resultat, als im Mittel von den Ökonomen erwartet worden war. Und auch die Kernrate (+0,5 Prozent) überraschte positiv.

Damit lässt sich eine gewisse Dollarstärke bzw. Euroschwäche zum Ende des Handelstages erklären, genauso wie der neuerliche Anstieg des US-Aktienmarkts. Der Euro kam im Verlaufe der gestrigen Sitzung an das wichtige Angebotsniveau von 1,1180/85 zeitweise immerhin bis auf wenige Stellen heran; dieses Niveau muss nach wie vor überwunden werden, um die latente Schwächeneigung der Gemeinschaftswährung zu beseitigen.

 

Hinweis

Alle genannten Preisniveaus verlieren ab einer bestimmten Durchstoßgröße ihre Gültigkeit. Diese beträgt für EUR/USD 5 Stellen.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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