Märkte

Sell in May bei DAX 10.000?

am
28. Mai 2014

Auch dieses Jahr scheint es nicht so richtig zu klappen mit der Börsenregel „Sell in May and go away“. Aber ich habe von solchen Weisheiten eh‘ nie viel gehalten. Immerhin bleiben denjenigen, die sich bislang zurückgehalten und sich ihre geplanten Mai-Verkäufe bis zum Monatsende aufgespart haben, noch zwei Tage übrig, möglicherweise an Himmelfahrt, am Allzeithoch und bei einem DAX-Stand von gleichzeitig 10.000 Zählern zu verkaufen. Das wäre doch genial, wenn das Börsenbarometer an dieser Stelle umkehren und danach für die nächsten Monate deutlich nach Süden ziehen würde.

Das wäre doch wie im Märchen!

Dann hätte die Mai-Regel immerhin doch noch gezogen!

Aber Schluss mit dem Quatsch! Wer nämlich in Sachen Mai-Verkauf ein ungünstiges Timing gehabt hat, der liegt jetzt schon einmal über fünf Prozent mit seiner Short-Position daneben und muss diesen Buchverlust erst einmal wieder wettmachen.

Ohnehin haben den Traum, in der Nähe eines Allzeithochs verkaufen, einige Akteure schon vor Tagen gehabt – und leider auf deutlich niedrigerem Niveau auch umgesetzt. Die geopolitische Lage und das europäische Wahltheater hätten es (aber nur bis zum vergangenen Wochenende) gerechtfertigt.

Und so habe ich die Befürchtung, dass sich nach einem Überschreiten dieses schönen runden 10.000er Niveaus die Jubelfeiern in Grenzen halten werden. Auch bezweifle ich, dass die einst zur Jahrtausendwende in Deutschland so oft beschworene und später (aufgrund der darauf folgenden massiven Baisse) schnell wieder eingemottete Idee der Börsenkultur deswegen wiederbelebt wird. Dazu bedarf es vor allen Dingen des berühmten Nachbarn, der vor Börsengewinnen kaum mehr laufen kann und zu dem andere dann neidvoll aufschauen müssen. Verbunden mit dem Drang, jetzt auch noch ganz schnell Aktien kaufen zu müssen.

Nein, von Sorglosigkeit oder gar Euphorie ist derzeit wenig zu spüren. Bevor das geschieht, müssen viele Marktteilnehmer für Ihre durchaus nachvollziehbare bisherige Zurückhaltung im Aktienmarkt in Form von Stop-Loss-Käufen bezahlen. Wahrscheinlich wird das sowieso erst jenseits der 10.000 geschehen. Wenn ich dann noch im Bankgewerbe beschäftigt wäre, würde mir mein Chef wahrscheinlich fast schon lustvoll eine Chart mit dem langfristigen Kursverlauf des DAX auf seinem Screen zeigen und mir schadenfroh mitteilen, selbst seine sechsjährige Tochter hätte diesen wunderbaren Aufwärtstrend gesehen. In der Behavioral Finance sprich man dann von einem Hindsight-Bias.

Dass es dann doch wieder nicht so einfach mit der Börseneinschätzung ist, zeigt indes die heutige Stimmungserhebung der Börse Frankfurt, die ich hier für Sie kommentiert habe.

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Joachim Goldberg
Frankfurt am Main

Seit rund 40 Jahren beschäftigt sich Joachim Goldberg mit dem Zusammenspiel von Menschen und Märkten. Bis heute faszinieren ihn die vielen Facetten, Nuancen, Geschichten, Analysen und Hintergründe, die sich in der weißgezackten Linie auf der großen Börsenkurstafel niederschlagen. Aber erst mit der Entdeckung der psychologischen Einflüsse auf die Finanzmärkte meint der studierte Bankfachwirt und frühere Devisenhändler dem, was die Welt der Finanzen antreibt und bewegt, nahe gekommen zu sein.

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